Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Die Jäger der verlorenen Bockwurst

von Sia N. Tology

Teil 1

Sie waren den ganzen Tag geritten.
Malone konnte nicht mal mehr sagen, ob sie überhaupt noch einen Hintern in der vormals vortrefflich sitzenden Lederhose besaß. Vielleicht konnte sie im Anschluss West danach bitten nachzuschauen, ob ihr Hintern noch existierte, er stierte ihr sowieso bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf den Allerwertesten.

„Wie weit ist es denn noch Boss?“, quengelte Charlie von seinem winzigen Pony an letzter Stelle der Bockwurstjäger-Karawane. Dank seiner kaum aufdringlichen, wenig quietschigen Stimme, bekam Malone innerhalb von einer halben Nanosekunde Kopfschmerzen. Im Geiste machte sie einen weiteren Strich auf ihrer imaginären Liste von Momenten, in denen sie Charlie gerne seinen dürren Schildkrötenhals abgesäbelt hätte. Wahlweise würde es auch ein Dum-Dum-Geschoss zwischen die ungeputzten Zähne tun. Hauptsache schnell und mit genügend spritzender Hirnmasse. Mittlerweile kam sie auf hundertsiebenundzwanzig Gelegenheiten, in denen Charlie nur knapp einer mörderischen Katastrophe entronnen war. Er holte rasant auf und wenn sie nicht in den nächsten Tagen endlich fündig wurden, würde er bald Malones Exmann Wilfred von dem Thron stoßen. Der brachte es immerhin auf zweihunderfünfzig mögliche Unglücke.

„Nicht mehr weit!“, brummte Carlos, Kopf der Bockwurstjäger-Truppe. Malone wusste, dass er sich selbst ziemlich unwiderstehlich fand, seitdem er bei einem Schinken-Unfall vor einigen Jahren seinen linken Arm verloren hatte und nun eine Stahlprothese in Form eines Würstchenspießes trug. Diese für ihn so attraktive Kombo rundete er stets mit einer frischen Mini Wini Würstchenkette um den Stiernacken herum ab. Außer streunenden Hunden lockte es meist keine Frauen an. Zumindest keine unbezahlten.

Malone hätte am liebsten geschrien, wenn sie sich die Männer so betrachtete, deren Truppe sie sich vor vier Jahren angeschlossen hatte. Wieso mussten alle gut aussehenden Männer Croupier, Holzfäller oder Bankangestellter werden? Es war einfach nicht fair! Alles, was sie hier geboten bekam, waren Exemplare, die seit Jahren nicht mal mehr an fließendes Wasser in Zusammenhang mit einer Dusche gedacht hatten.

Hätte sie mal auf ihre Mutter gehört, als diese sie davon abbringen wollte, sich von dem Tabledance ab- und dem Bockwurst-Business zuzuwenden. Sie hatte ihr ein Leben umgeben von Raufbolden und Kleinkriminellen auf dem Weg zu Großkriminellen prophezeit. Die Raufbolde waren definitiv am Start und West war sicherlich auch auf dem Weg, in den nächsten Jahren massive Probleme mit dem Gesetz zu bekommen. Malone hegte jedenfalls seit einem Jahr den Verdacht, dass er in irgendeiner Form am groß organisierten Cabanossi-Schmuggel der Unterwelt beteiligt war. Als Dauerwurst-Experte der Gruppe hatte er das Know How und sicherlich auch die Kontakte, um Cabanossi im großen Stil über die Bundesgrenze zu schmuggeln.

„Haltet euch dieses Mal an den Plan!“ Der Boss drehte sich auf seinem breiten Ackergaul um und blickte jeden einzelnen seiner Truppe vielsagend an. „Das letzte Mal hat hier auch einfach jeder gemacht, was er wollte und danach konnten wir Smudders an Ort und Stelle beerdigen. Ich habe keinen Bock mehr auf eine weitere Brunnenbestattung.“

Und außerdem hatten sie nicht mehr genug Plockwurst-Vorräte, dachte Malone düster bei sich. Eine Brunnenbestattung ohne Plockwurst wäre wie eine Hochzeit ohne das Verbrennen von Cervelatwurst: Scheiße.

„Und der Plan war noch mal..?“ Natürlich war es West, der zu dem Boss aufritt und die Frage stellte. Wahrscheinlich hatte er sein abartiges Fleißheftchen schon gezückt, um sich noch ein paar mehr Fleißsticker zu verdienen, die er abends vor dem einschlafen immer liebevoll betrachtete. Wenn er nicht darin vertieft war, Malone mit seinen Blicken auszuziehen oder jeden Zentimeter ihres Hinterns auswendig zu lernen. Es sollte ihm nur mal jemand unterstellen, keine abwechslungsreichen Hobbys vorweisen zu können.

Malone knirschte mit den Zähnen. „Wir reiten da rein, durchsuchen den Bums, finden diese verkackte Bockwurst und kassieren den Finderlohn. Geschossen wir nur, wenn es sein muss.“

„Wenigstens eine, die mir zuhört.“ Der Boss fischte ein angeranztes Sternchen aus seiner Hosentasche und warf es Malone zu. Widerwillig zog sie ihr Bonusheft hervor, gönnte sich aber dennoch einen schadenfrohen Blick zu West, der sie missmutig dabei beobachtete, wie sie den Fleißsticker aufklebte, den er eigentlich befingern wollte.

Sie ritten schweigend weiter. Selbst Charlie schaffte es in der nächsten halben Stunde seine Futterluke geschlossen zu halten und nicht weinerlich über das Wetter, die Käsefanatiker oder den allgemeinen Weltschmerz zu klagen. Seine Vergangenheit als Steuerprüfer schien in solchen Momenten immer wieder unbarmherzig durch.

„Da vorne ist es“, murmelte Winston, während ihm Kautabak und Spucke aus dem linken Mundwinkel liefen. Ein erbaulicher Anblick. Ebenso attraktiv wie die Rotz verkrustete Nase und das infizierte Auge, das Winston aus Angst vor einer Augenklappe nicht behandeln lassen wollte. Sinnvoll. „Das ist diese dreckige Stadt, von der mein Informant gesprochen hat.“

Malone kniff die Augen zusammen. Am Horizont zeichnete sich langsam aber sicher die Silhouette einer drögen Kleinstadt ab, deren dreckige Fassade jegliches Sonnenlicht problemlos zu schlucken schien. Seitdem sie von ihrem Hauptquartier aufgebrochen waren, hatte sie langsam aber sicher aufgehört daran zu glauben, dass dieses vertrackte Höllennest wirklich existierte, in das die große Bockwurst von einer Gruppe Käsefanatiker verschleppt worden war. Sie drohten damit sie zwischen zwei Scheiben Toast zu legen oder so etwas perfides in der Art, ganz sicher war sich Malone da nicht.

Allerdings interessierte sie das eigentliche Schicksal der verlorenen Bockwurst einen Scheiß - Hauptsache es kam Geld in die Kasse. Die knatschengen Lederhosen gab es jedenfalls nicht umsonst und außerdem hatte sie mal wieder Bock, sich chirurgisch irgendwas machen zu lassen.

Carlos preschte unvermittelt mit seinem Ackergaul vorne weg, scheinbar mit einem Male richtig scharf darauf, so ein paar Käsefuzzis ordentlich die Fressen zu vermöbeln, Fäuste fliegen zu lassen und ihren heiligen Käse genüsslich durch Hundekot zu ziehen. Malones Esel nahm sofort Fahrt auf und jagte seiner großen Liebe, dem Ackergaul hinterher, während Charlies Pony mal wieder allen zeigen musste, dass es leistungstechnisch absolut nichts drauf hatte.

In der Kleinstadt angekommen schaffte es Carlos den aufgedrehten Ackergaul unter Kontrolle zu bringen und machte sich das universelle Zeichen für „Wir halten hier besser mal an und schauen uns um, Boys and Girls“ zu Nutze, in dem er sich mit der Grazilität einer trächtigen Seekuh von dem Rücken seines Pferdes wälzte und gegen die Wand des erstbesten Hauses pisste. Seine Würstchenspießhand hatte er dabei erstaunlich gut im Griff. Bisher ließen sich keinerlei Zeichen für ein beginnendes Eunuchentum bei ihm entdecken.

Malone band ihren Esel an einem Hydranten fest und wartete, bis alle ihre Waffen gezogen und zwei Liter Kautabak auf dem dreckigen Boden verteilt hatten. Winston war sich sicher, dass der Informant, den er vor ein paar Tagen mit einer Hartsalami verprügelt und dann um zwei, drei Zähne ärmer gemacht hatte, (sie machten sich spitzenmässig in seinem unebenmässigen Gebiss des dritten Fäulegrades) irgendetwas davon genuschelt hatte, dass die geistesgestörten Anhänger des Milcherzeugnis Kults hier ihr Hauptquartier hatten. Die runtergekommene, mit der Zeit abgeranzte Fernbibliothek der Stadt schien für sie genau der richtige Ort zu sein. Nirgendwo ließ sich ein Brie besser in Moby Dick einwickeln oder ein Appenzeller mit einer Seite aus 50 Shades of Grey abstauben.

„Die Bibliothek ist hier direkt um die Ecke.“ Charlie hatte aus einer Satteltasche eine Stadtkarte hervor gewühlt, die vermutlich noch vor der ersten Eisschmelze entstanden war und alle tödliche Bakterien der letzten siebenundzwanzig Generationen der Menschheit auf sich beherbergte.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, stiefelte Carlos los, während er mit seiner noch intakten Hand die Fleischkanone aus dem Halfter nestelte. Er hatte der ganzen Truppe in dem letzten Kaff in dem sie Halt gemacht hatten eine ordentliche Ladung Premium Teewurst-Patronen spendiert. Mit den Dingern fühlte man sich quasi unbesiegbar, nichts ätzte einem so schnell alle wichtigen Weichteile weg, wie frisch aufgeschmierte Teewurst.

Die Bibliothek hatte auch schon mal bessere Zeiten gesehen, vermutlich vor knapp drei bis vierhundert Jahren. Ein Waschbär mit Irokesenfriese lümmelte auf einem Fenstersims herum, fraß Schokoladenpopcorn und bewarf Passanten mit dem nicht aufgepoppten Mais. Irgendein Croupier hatte wohl schon angenervt versucht, das Vieh einen Kopf kürzer zu machen, hatte ihn aber um einen halben Meter mit einem Poker-Chip verfehlt.

Sie betraten die Bibliothek. Der Irokesenwaschbär hatte sich mittlerweile von seinem Fenstersims verzogen und folgte ihnen in einigem Abstand. Er hatte eine Polaroidkamera ausgepackt und schien sich mächtig darauf zu freuen, sie mal austesten zu können.

Glücklicherweise hatte irgendein Volltrottel Luftballons und ein kaum zu übersehendes Plakat „Willkommen, Käsefreunde des Lichts!“ aufgehängt, inklusive einem Pfeil, der auf die Tür zum Lesesaal zeigte. Es hatte wohl vor nicht allzu langer Zeit Cracker-Häppchen gegeben, der Cateringservice hatte die Tabletts nur noch nicht von den mickrigen Stehtischen abgeräumt. Es sah fast so aus wie die Reuniontreffen von Malones Tabledance Class of ’69, nur in etwas stilvoller.

Carlos räusperte sich, platzierte einen dicken Rotzklumpen auf einem der Tabletts und befingerte dann liebevoll seine Waffe. Vor seinem inneren Auge tanzte das Geld bereits dreckig an der Stange und sicherte ihm einen attraktiven Mini Wini Würstchenkettenvorrat bis in alle Ewigkeit, die Unendlichkeit und noch viel weiter. „Wir gehen rein! Im Namen der Bockwurst. Oder so.“

Auf dieses Kommando wartend, nahm Winston die krummen Beine in die Hand und stürzte noch vor Carlos in den Lesesaal. Wunderbarerweise löste er dabei direkt einen Sicherheitsmechanismus aus, der den Bereich vor der Tür mit einer dichten Nebelwand aus fein gemahlenem Parmigiano Reggiano bedachte. Das letzte, was Malone hörte, bevor die Welt in einem gelblichen Schimmer von gemahlenem Parmesan verschwand, war die von Kautabak verätzte Stimme Winstons, die sich vor Grauen fast überschlug: „Sie haben einen verschissenen Pinguin!“

Teil 2 folgt in der nächsten Ausgabe!