Das Amulett der Königin
Typhus Cryme
Die Abenteuer von Hunwolf, Nr. 1
Das Schwert steckte tief im Brustkorb des Banditen fest. Hunwolf
stellte den rechten Fuß auf die Schulter des blutigen Leichnams und
zog mit beiden Händen am Griff von Hunmor, seiner legendären Klinge.
Er biss die Zähne zusammen. Schweiß lief ihm von der Stirn. Die Adern
in seinen muskulösen Armen bebten wie Schlangen, die sich um
mächtige, glänzende Felsen wanden. Es knackte und schmatzte und mit
einem plötzlichen Ruck war Hunmor frei. „Ich muss mich mit meiner
Kraft zurückhalten“, dachte Hunwolf bei sich. „Ich bin einfach zu stark.“
Mit einem schnellen, präzisen Hieb trennte er den Kopf des Ex-Banditen
von dessen Körper und warf ihn in das Netz zu den anderen. Mit diesem
letzte Kopf befanden sich nun insgesamt zwölf Köpfe in Hunwolfs
Kopfnetz und er hatte damit seinen königlichen Auftrag erfüllt. Die
Bande von „Ralle und die schnellen Schlitzer“ würde das Umland ab
heute nicht mehr plagen.
An einem nahegelegenen Flusslauf wusch er sich das Blut von seinen
mächtigen Armen und seiner imposanten Brustmuskulatur. Sein schwarzes
Pferd Rolf schien wenig beeindruckt, aber Hunwolf ahnte, dass es nur so
tat. „Komm Rolf! Es wird Zeit aufzubrechen.“ Rolf wieherte. Hunwolf
ritt auf Rolf durch den dicht bewachsenen, nebelverhangenen Brankenwald
Richtung Urstätt, der Hauptstadt des Königreichs von Murr. Sie
erreichten die Stadt am Morgen und so standen die Tore bereits offen.
Hunwolf lenkte Rolf durch sie hindurch in ein Meer von gräulichem
Braun. Die hölzernen Bauten von Urstätt trugen die gleiche braune
Farbe, wie die Kleidung des Großteils seiner zahlreichen Einwohner,
die sich wiederum kaum von den schlammigen Wegen, auf denen sie sich
tummelten, abhob. In Kombination mit den morgendlichen Nebel alles in
allem eine ziemlich deprimierender Anblick, dachte sich Hunwolf und
steuerte sein kopfbepacktes Pferd in Richtung des Palastes.
Trotz der trostlosen Stimmung warf fast jede Frau (und kein
unerheblicher Teil der Männer), die den Weg des oberkörperfreien
Kriegers streiften, Hunwolf ein aufforderndes Lächeln zu. Für Hunwolf
war das normal, er nahm es gar nicht mehr wahr. Alles war gut. Einige
von ihnen wurden später schwanger.
„Halt!“ tönte ihm die Wache am Palasttor entgegen.
„Wer seid ihr und was wollt ihr am königlichen Palast?“
„Geh mir aus dem Weg, Bursche!“, knurrte Hunwolf von seinem Sattel
herunter. „Ich bin Hunwolf, der größte Krieger aller Zeiten und ich
bin hier um den König zu sehen.“
Die Wache schluckte und wurde bleich, als ihr gewahr wurde, mit wem sie
es zu tun hatte. Sie wurde noch bleicher, ja, fast weiß, als sie die
zwölf abgetrennten Köpfe im Netz an Rolfs Seite wahrnahm.
„Natürlich, Meister Hunwolf. Verzeiht meine Ignoranz! Bitte tretet
ein. Danke! Danke vielmals!“, stotterte die Wache, gab den Weg frei,
senkte demütig den Kopf um Augenkontakt zu vermeiden und legte sich
flach auf den Boden bis Hunwolf außer Sichtweite war.
Hunwolf betrat den Thronsaal. Der gewaltige Raum war von Marmorsäulen
gesäumt, die viele Meter hoch bis in die reich verzierte Decke ragten,
welche ein Bild der großen Schlacht um Murr gegen den zahnlosen
Drachen Jens zeigte. Vor den Säulen standen die schwer gepanzerten
Soldaten der Königsgarde, deren gewaltige Plattenrüstungen allesamt
der bockige Dachs, das Wappentier des Hauses Murr, zierte. Am Ende des
Saals befand sich der Thron, auf dem König Malff der Schlaffe wie ein
Sack Kartoffeln hing. Ein kleiner, pummeliger Herrscher, mit der Haut
einer alten Steckrübe und dem Charisma einer toten Ente. Hunwolf hatte
nicht den geringsten Respekt für ihn. Neben ihm befand sich eine
kleine Version seines Thrones auf dem seine Gemahlin, Königin Sikki,
die Schönheit aus dem fernen Güntherland, in einen Hauch von Seide
gehüllt, der ihre glänzende, honigfarbene Haut nur an wenigen
ausgewählten Stellen bedeckte. Hunwolf schritt mit erhobenen Haupt
durch den Saal und ließ dabei das bebende Dekolleté der Königin
keine Sekunde aus den Augen. Sie starrte ihn mit verheißungsvollen
grün-blauen Augen an und leckte sich dabei wollüstig über ihre roten
Lippen. König Malff seufzte resigniert. Hunwolf ließ die gesammelten
Köpfe mit einem lauten Schmatzen vor dem Königsthron fallen. „Die
Banditen sind erledigt, Eure Majestät. Ralle schlitzt nicht mehr.
Zahlt mit meine 100 Goldtaler wie versprochen, sonst gibt’s
Ärger!“, spuckte Hunwolf. Mehr Seufzen.
„Ihr seid wie immer ganz schön frech für einen Söldner, mein guter
Hunwolf, aber ihr habt getan wie ich euch aufgetragen habe und ich will
meinen Teil der Abmachung halten“, seufzte der König.
Ein Diener präsentierte Hunwolf eine hölzerne Schatulle, welche zu
Hunwolfs Freude bis zum Rand mit Goldtalern gefüllt war. Ein weiterer
Diener trat neben den ersten und hielt eine weitere Schatulle von
gleicher Machart und Inhalt vor Hunwolf, welcher daraufhin misstrauisch
seine mächtigen Augenbrauen zusammenzog. „Für den nächsten
Auftrag“, erklärte der König durch fettige Strähnen die unter
seiner schief sitzenden Krone heraushingen. „Das Amulett meiner
geliebten Gemahlin…“, Hunwolf starrte ihr jetzt unverhohlen auf die
Brüste während sich die Königin vor ihm räkelte, „…wurde
gestohlen“, fuhr König Malff fort. „Bringt mir den Dieb und euer
Lohn soll sich verdoppeln.“
Dann räusperte sich ein Mitglied der Königsgarde.
Hunwolf rollte blitzschnell über den Steinboden zum Räusperer, zog
dabei Hunmor von seinem Rücken und rammte das gigantische Schwert
genau in den Sehschlitz des überraschten Soldaten. Für einen Moment
verharrte der gesamte Thronsaal in geräuschloser Schockstarre, dann
begann das Blut aus allen Öffnungen des Helms zu schießen und der
Saal füllte sich mit aufgeregten Schreien und dem Klirren von
unzähligen Schwertern die gleichzeitig gezogen wurden. „Eine Falle
also“, murmelte Hunwolf zu sich, der nicht zum ersten Mal eine
Situation völlig und fatal falsch einschätzte. König Malff schrie
verzweifelt etwas von einem unglücklichen Missverständnis, doch seine
Stimme war so schwach, dass Hunwolf sie nicht hören wollte. Die
Königin schaute gebannt und mit einem breiten Grinsen dem Chaos zu,
welches sich vor ihr entfachte. Sie riskierte dabei immer wieder einen
Blick auf Hunwolfs Rückseite, deren unterer Teil wohlgeformt in eine
enge Lederhose gepresst war.
Hunwolf hackte sich durch die schwer gerüsteten Wachen. Ihre
metallenen Anzüge waren Hunmors Heldenstahl nicht gewachsen.
Abgetrennte Körperteile sausten durch die Luft.
Schmerzensschreie
erfüllten den Thronsaal und bald stand Hunwolf das Blut bis über die
Knöchel. Immer mehr Wachen strömten in den Thronsaal, doch er hackte
unermüdlich weiter. Hack, hack hack! Irgendwann verlor er in dem
unübersichtlichen Getümmel Hunmor und er kämpfte mit bloßen Händen
weiter, wie er es bei den kahlen Mönchen von Chi gelernt hatte. Knick,
knack, krack!
Er haute und biss und rollte. Er sprang und trat und dann fand er
Hunmor wieder und er hackte. Hack, hack, hack! So ging es weiter bis
Hunwolf zum späten Nachmittag wieder zur Besinnung kam und sich die
Überlebenden der Königsgarde bei ihm entschuldigt hatten. Kurze Zeit
später fand er sich in den königlichen Gemächern mit Königin Sikki,
der Schönheit aus dem fernen Güntherland wieder und das Getöse ihres
Liebesspiels war in der ganzen Stadt zu hören, bis es in den
Morgenstunden endlich aus klang. Das Amulett der Königin sucht Hunwolf
in seinem nächsten Abenteuer – falls ihm danach ist.