Geknetetes Universum
von Rambo A. Tannenbaum
Es drang kaum Licht ins Zimmer. Die alten Vorhänge fielen schlaff vor
den Fenstern zum Boden. Vollgesogen mit kleinsten Milben und schwer
vom Rauch der starken Zigaretten. Die hohen Decken ragten nach oben
wie Bäume in einem gesunden Eichenwald. Ansonsten war der Raum
von seiner Größe eher klein, denn es war kein besonders großes Zimmer, nur das Arbeitszimmer eines wichtigen, aber sehr unprätentiösen
Mannes. Das augenscheinlichste war der relativ majestätische Schreibtisch aus massivem Marmor, der nicht ganz mittig im Raum stand, sondern eher etwas zur Wand versetzt. Besonders viel Spiel nach hinten
war dort gar nicht vorhanden, man hätte höchstens noch einen Umzugskarton auf dem Boden platzieren können. Ein Aquarium hingegen
hätte nicht mehr reingepasst, es sei denn man hätte es riskiert, das Anstoßen von es und verschütten der ganzen Wassermassen. Nein. Das
wollte hier keiner tun, denn der Boden war aus alten Holzdielen. Geschmirrgelt und geölt, knarrzig und von hoher Qualität, nicht aus dem
Baumi!
Stephen rollte zur Tür herein in seinem Rollstuhl, den Kopf wie immer
leicht zur Seite geneigt. „Einen wunderschönen guten Tag, Master of the
Universe!“, sagte sein sprechender Rollstuhl zu Gott.
Dieser blickte auf hinter seinem Marmortisch, sitzend auf einem Eames-Nachbau, neu und mit funkelndem Leder. Er lächelte Stephen freundlich
zu, winkte ihn herein mit seiner muskulösen Hand mit noch etwas Teig
dran. Die Zigarette hing ihm lässig im Mundwinkel, der Tabak roch hervorragend. Das Päckchen musste ganz frisch aus dem Automaten gezogen worden sein, sicher auch eine vielgerauchte Marke, so dass der
Automatenbefüller immer frische Päckchen reintat.
„Stephen, komm rein!“, sagte Gott, „ich zeig dir mal was. Sieht nicht so
spektakulär aus, aber ist schon ziemlich hui, wenn man es sich mal tatsächlich komplett durchdenkt.“
Stephen rollte näher, bestaunte den Marmorschreibtisch und sah die
muskulösen Arme des Gottes, wie sie auf der glatten, völlig freien Fläche den Teig kneteten.
Gott sagte: „Guck hier, das ist das Universum, dieser Teig. Jetzt verstehst du auch vielleicht, warum es sich immer verzieht in so viele Richtungen, sich ausbreitet und gleichzeitig schrumpft. Ich knete es jeden
Tag, den Universalteig, aber gegessen wird es nie, keine Sorge.“ „Phantastisch“, sagte Stephens Rollstuhl. „Jetzt verstehe ich es endlich.
Und auch die Sache mit den Wurmlöchern. Die entstehen einfach
wenn…“
Gott führte den Satz mit einer Knetfigur zu Ende, bei der er zwei Teigenden zusammenführte. Er lächelte und sagte: „Genau.“
Dann stand er auf und ging zu dem kleinen, weißen Waschbecken, das
an der Wand hing und wusch sich ordentlich die Hände. Während er
sich mit dem schneeweißen kleinen Handtuch, das neben dem Waschbecken gehangen hatte, bevor er es weggenommen hatte um sich damit
die Hände zu trocknen, die Hände trocknete, blickte er zu Stephen und
fragte: „Sag mal, ich würde noch ‘ne Runde ins Freibad gehen, kannst
du mal ein paar Stündchen für mich weiterkneten?“
Er ging zum Fenster, schob den Vorhang ein Stückchen zur Seite, kniff
die Augen wegen der Blendung der Sonne kurz zu und nickte: „Ist ja
wirklich starkes Wetter heute.“
Stephen fühlte sich sichtlich geehrt, ob der großen Aufgabe, für Gott das
Universum durchzukneten. Er wollte schon zustimmen, dann aber ließ
er seinen Rollstuhl sprechen: „Ich würde echt total gerne das für dich
machen, aber mein Körper geht nicht.“ Er guckte traurig.
Gott war schon halb auf dem Absprung nach draußen, seine Schwimmtasche stand nämlich schon gepackt in der Ecke, er schnappte sie sich
und hing sie sich um. Er war mit den Gedanken schon auf dem 3-Meter-Brett, da verstand er erst den Einwand von Stephen.
„Ah, achso, Körper, ja.“ Er ließ den Flip Flop an seinem rechten Fuß mit
einem kurzen Kick ein bisschen nach oben fliegen und fing ihn geschickt
wieder mit dem Fuß auf. Diesen Trick musste er oft geübt haben. Er
machte einen weiteren Schritt auf die Tür zu, sah Stephen kurz an und
sagte „Ja, Körper. Machen wir.“ Er kniff ein Auge zu und schnalzte. Da
konnte Stephen auf einmal wieder alles bewegen. Zack, so schnell ging
das hier!
„D…danke!“ sagte Stephen, ging zum Schreibtisch, rollte sich die Ärmel
hoch und begann vorsichtig zu kneten. What a feeling!
Als er schon draußen war, streckte Gott nochmal den Kopf durch die Tür
und sagte: „Lass doch später heut Abend noch ein Weinchen trinken,
draußen auf der Terrasse, ja? Bis dann!“, fügte er hinzu, ohne eine Antwort abzuwarten. Und schon war er weg.
Stephen nickte und lächelte. „Cooler Typ“, dachte er, während er das
Universum knetete. Blitzblanke Story.
Gibt’s eigentlich nichts hinzuzufügen.
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