Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Panther-1 auf Schloss Bellevue

von Haimo Schafft

Herr Peter wankte wie ein angeschossener Wal unkoordiniert das Treppenhaus hinauf. Unter seinem linken Arm trug er einen frischen Laib Brot, und in seiner rechten zur Faust geballten Hand hielt er mit eisernem Griff die Henkel einer Plastiktüte, welche bis zum Rand mit Katzenfutter gefüllt war. Herr Peter war Mitte 30, unsportlich und trug einen lichten Haarkranz lose um seine lange, in Sorge gefaltete Stirn. Sein unsteter Gang und sein unbeholfenes Gebaren hatten sich in den letzten Woche drastisch verschlimmert. Die Nachbarn ferndiagostizierten Probleme und Alkoholismus. Tatsächlich hatte Herr Peter aber gar keine Probleme mehr.
Nach mehreren Anläufen hatte er endlich die Tür seiner Wohnung aufgeschlossen. Er wurde langsam besser. Er betrat den Flur und warf das Brot auf den Haufen verrotteter Backwaren im Badezimmer, was einen großen Schwall Fliegen in freudige Aufregung versetzte. Er bahnte sich den Weg zur Küche durch die Unmengen offener Konservendosen, die den Rest der Wohnung säumten. Seine Schritte wurde untermalt vom Knacken zertretenen Katzenstreus. In der Küche angekommen öffnete er sieben weitere Katzenfutterdosen und stellte diese sorgsam auf die wenigen verbliebenen freien Stellen des Küchenbodens. Danach ließ er sich aus dem Stehen direkt in seinen Lieblingssessel fallen. Herr Peter verharrte regungslos. In seinem Brustkorb machte sich ein hektisches Rascheln und Kratzen breit, das zunehmend in Lautstärke anschwoll. Plötzlich öffnete sich seine Bauchdecke und sieben entnervte Hauskatzen sprangen aus der menschlichen Hülle hinaus. Angeführt vom schwarzgrauen Dr. Geigenkasten stiegen Schlurfi, Mumpitz, Barbel, Roboterkind, Proteinshake und Jens aus dem geöffneten Leichnam und labten sich sogleich an dem frischen Futter.

Herr Peter war wenige Wochen zuvor durch einen Herzinfarkt beim Konsum kostenloser Internetpornographie ums Leben gekommen. Die Katzen unter Anleitung von Dr. Geigenkasten sorgten sich um das Fortwähren ihrer Verpflegung und außerdem wollten sie ihre gewohnte Umgebung ungern verlassen. Auf der Stelle machten sich die hungrigen Katzen ans Werk und höhlten den Verstorbenen von innen aus, was sie für die erste Woche mit reichlich Nahrung versorgte.
Satt und voller kreativer Energie entwickelten die Katzen, deren Speichel sich praktischerweise als konservierend herausstellte, ein kompliziertes aber ausfallsicheres System, um den Leichnam von innen zu steuern. Dies hatte es ihnen ermöglicht, jeden Tag für mehrere Wochen unerkannt als Herr Peter getarnt das Haus zu verlassen, um Futter und allgemeine Katzenbedarfsartikel zu kaufen. Hier kauften sie außerdem größere Mengen an Backwaren in der Hoffnung, möglichst normal und menschlich zu erscheinen. An Geld mangelte es ihnen nicht, da sich der rotbraune Jens als eiskalter Online-Poker-Profi herausgestellt hatte. Doch es war der Erfolg, der die Katzen zu Hochmut verleitete und letztendlich zu ihrer Entdeckung führte. Nachdem sie erst nur kurze Ausflüge zum Supermarkt unternahmen, um nur das Nötigste zu kaufen, sah man Herrn Peter bald wieder häufiger in der Stadt beim maßlosen Verzehr von Wurstwaren und Käse. Es passierte an einem heißen Sommertag, als sich der Tote in einem Café eine kalte Tasse aufgeschäumte Milch bestellte, dass sein schnurrendes Geheimnis gelüftet wurde.

Der Mann, oder besser gesagt die Frau, die den Katzen auf die Schliche kam, war eine BND-Agentin namens Panther-1. Sie saß im gleichen Kaffee wie die Katzen und aß Apfelkuchen, als ihr der beißende Geruch von Katzenurin, der von dem nett grinsenden Mann mit der Glatze ausging, auffiel. Eigentlich war Panther-1 gerade in die Aufdeckung eines russischen Doppelagenten (Bruno Eins Eis) involviert, aber wie so oft musste sie als Agentin schnell Gefahren abwägen und Entscheidungen im Interesse ihres Vaterlandes treffen, und so staunten die Leute im Café Vulva nicht schlecht, als die Beamtin scheinbar aus dem Nichts heraus ihre Hand in den Bauch des grinsenden Mannes mit dem hässlichen Haarkranz rammte. Sie zog als erstes Schlurfi hervor, der traurig einem angekauten Stück Wurst hinterherschaute, dass ihm vor Schreck aus dem Mund gefallen war.
Die Presse stürzte sich auf die Geschichte, und Journalisten gierten geradezu nach Exklusivinterviews mit den Menschen-Fresser-Mietzen – ein Name, den sich die Katzen selbst ausgedacht hatten. Zur Überraschung aller kam es am Ende zu keiner Verurteilung. Im Gegenteil – die Katzen wurden vom Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier ins Schloss Bellevue eingeladen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gratulierte den Katzen zu ihrer beeindruckenden und abenteuerlichen Geschichte und verlieh jeder Einzelnen das Bundesverdienstkreuz für Katzen. Er klopfte Dr. Geigenkasten während der Zeremonie auf die Katzenschulter und flüsterte ihm ins Ohr „Gut gemacht, Panther-17“. Es war in diesem Moment, als Panther-1 der beißende Geruch von Katzenurin auffiel, den der Bundespräsident wie eine steinzeitliche Frau hinter sich herzog.