Vom Golfplatz abwärts (Teil 2)
von Gundolf Bresenz
Ich liege im Bett. Neben mir eine kotzende Blondine. Ihr Kopf hängt tief in der Schüssel – einer alten Salatschüssel meiner leider verstorbenen Tante Amanda – und macht Geräusche. Es klingt eher saugend als kotzend, fast schon fordernd.
Sie macht eine Pause, beugt sich zu mir herüber und röchelt:
„OK… sooooo… yes… aheeem… one hundred six“.
Ich verstehe nicht, was sie will, und reagiere über, indem ich ihr mit der Handkante eine überziehe. Dann mache ich mich aus dem Zimmer.
Im Nebenraum liegt auch eine Blondine, aber die schläft. „Voll OK“, denke ich, gehe auf den Balkon und checke die Lage draußen. Nackt bin ich, klar, wie immer, wenn ich auf den Balkon gehe.
Das Wetter sieht prächtig aus, keine Wolken, nur einige Kondensstreifen. „Chemtrails, verdammte Chemtrails“, murmel ich vor mich hin und spucke auf den Balkon. Plötzlich erschreckt mich ein „Guten Morgen“ ganz dicht hinter mir. Das ist die andere Blondine (die zweite). Sie hat mich ganz schön auf dem falschen Fuß erwischt. Deshalb werfe ich sie vom Balkon. Hui, wie sie fliegt! Wie ein blondes UFO.
Aufgrund der exzellenten Wetterlage mache ich mir aber auch keine weiteren Gedanken, ob der Reaktion meiner Nachbarn wegen toten Blondinenguts auf dem Trottoir, sondern beschließe auf den Golfplatz zu gehen. Ich war noch nie auf einem Golfplatz, aber ich stelle es mir ziemlich cool vor. Bestimmt gibt es dort viel Wiese zum Chillen und vielleicht kann ich auch eine Runde mit einem dieser kleinen Autoscooter-ähnlichen Geschosse fahren. Auja, darauf hab ich jetzt richtig Laune!
Ich ziehe mir meinen Adidas-Jogginganzug an (darunter bleibe ich nackt) und verlasse die Wohnung. Als ich an der blonden Dame auf dem Gehsteig vorbeischlendere, frage ich mich, was da wohl wieder in mich gefahren ist… Ah, aber da kommt schon die Linie 62. Die fährt zum Golfplatz, da steig ich ein.
Angekommen an der Endhaltestelle mache ich mich zum Platz auf. Doch ich will so ein Golfplatzgeschoss! Nach einigem umherschauen finde ich eines, völlig unbeaufsichtigt steht es neben einem Mülleimer herum. Ich steige ein.
Nach dem obligatorischen Schulterblick und Bremstest fahre ich dorthin, wo ich die meisten Menschen sehe. Alle stehen im Kreis und schauen nach unten. Ob das ein sektenähnliches, altes Golfspieler-Ritual ist?
Ich presche zur Menge, steige aus und geselle mich dazu. Ahso, da ist ein riesiges Golfloch. Aber warum?
Ich boxe mich in die erste Reihe vor und werfe einen Blick in den Schlund. Darin steht ein Querkopf und buddelt. Eine Schwuchtel kommt hinzugelaufen und ruft mit englischem Akzent in das Loch nach einem „Herr Söhnlein“. Aber der Herr Söhnlein buddelt wohl lieber, als auf Schwuchtel-Rufe zu reagieren. Man muss zugeben, der macht das schon recht professionell! Er pinkelt immer, dann gräbt er wieder, und so weiter. Ratz fatz ist er soweit unten, dass man ihn gar nicht mehr sieht.
Ich schaue fasziniert zu, bis der Mann im Loch nicht mehr zu sehen ist.
Plötzlich höre ich von hinten ein Geräusch. Ich fahre herum: Mein Golfmobil rast auf mich zu. Scheiße, ich habe verpennt die Bremse zu ziehen! Flups, da hat es mich auch schon erwischt. Ich versuche mich noch an einem Grasbüschel festzuhalten, doch vergeblich. Ich falle, stürze, fliege. Wie die Blondine vorhin. Aber schöner. Ich mache Pirouetten. Aber sieht ja eh keiner, viel zu dunkel hier. Ich lasse es bleiben. Der Flugwind verzerrt meine Mundwinkel zu einem grinsen, als wäre ich ein Streber und hätte gerade eine 1+ in einer Klassenarbeit zurückbekommen. Ich falle schneller, weiter, und plötzlich wird es gleißend hell und schweinemäßig heiß und ich…
„Herr Söhnlein!“ Was ist das? Wo bin ich? Ich liege in einem mit herrlich frischen Laken bezogenem Bett! Es duftet nach frischem Kaffee, Sorte „Kopi Luwak“ würde ich tippen. Mein Gemach ist groß und klassisch-stilvoll eingerichtet. In der leicht geöffneten Tür steht ein Bediensteter und lächelt freundlich: „Herr Söhnlein, entschuldigen Sie vielmals – ich fürchte Sie müssen langsam aufstehen. Sie wollten heute doch auf den Golfplatz.“
Dies ist die Fortsetzung einer facettenreichen Kurzgeschichte von Gundolf Bresenz. Der erste Teil findet sich in Ausgabe #2 der literarischen Hefte der Gruppe 13.