Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Überfall am Black Sparrow Corral

von Brenton Spade

Jack tränkte seine brave Stute mit Wasser aus dem Fluss, den sie am Nachmittag überquert hatten. Seinen eigenen Durst löschte er mit einem Schluck Whisky aus der Satteltasche. Herrlich brennend breitete sich das Destillat in seiner Brust aus. Lady war ein prachtvolles Tier. Rote Glöckchen hatte die mandeläugige Tochter des Chinesenmannes von der Wäscherei in Cold Oaks in seinen Schweif geflochten, die nun leise im Abendwind bimmelten und Jack an Zuhause erinnerten. Home Sweet Home! Jack seufzte, als er an seine arme traurige Ma auf der Veranda dachte. Daddy hatte die Veranda eigenhändig zusammengezimmert, als er noch beide Hände besessen hatte. Long time ago… ein mitfühlendes Schnauben seiner Stute riss ihn aus seinen Träumen. Ein harter Ritt lag hinter dem Quartett. Bruce saß beim Feuer und rührte eine Suppe aus dem restlichen Trockenfleisch an. Sein Rotfuchs lag bereits in sanften Schlummer und träumte von einer gerechteren Pferdewelt. Einer Welt ohne Sättel, Sporen und Brandmarkierungen. Einer Welt, in der die Fohlen der weißen Stuten und die Fohlen der schwarzen Hengste gemeinsam Huf in Huf die roten Hügel von Georgia entlanggaloppieren und ihre Mähnen im goldenen Licht der Abendsonne flattern konnten. Es war ein schöner Traum.

Sie waren 30 Stunden lang ununterbrochen geritten. Hinter ihnen lag das unwegsame Geröll des Paper-Scissors-Rock-Passes, die schneebedeckten Gipfel der Mighty-Musquash-Kette und der heiße Sand der Todeswüste von Deadly Dune Territory. Es hatte ihnen kaum etwas ausgemacht, denn sie waren Männer. Nur ihre Pferde brauchten eine Pause, das spürten sie. Männer wie sie spürten so etwas.

Die Rothäute hatten ihnen einen blutigen Empfang am Black Sparrow Corral bereitet. Ken und Joe waren tot, Bruce hatte eine tiefe Fleischwunde am rechten Bein erlitten, nur er selbst hatte wie durch ein Wunder kaum etwas abbekommen. Ein Pfeil steckte zwar noch in seinem Unterschenkel, aber darum würde er sich später kümmern. Erstmal einen ordentlichen Bissen zwischen die Zähne bekommen. Sie hätten die Teufel schon vorher töten sollen, als sich ihnen die Chance geboten hatte. Eine Gruppe von ihnen hatte ihr Tipi hinter dem Cheesy Canyon aufgeschlagen. Es ware ein Leichtes gewesen, sie im Schlaf zu überraschen und in die ewigen Jagdgründe zu schicken. Doch Ken hatte zu lange gezögert. Sie mochten Teufel sein, aber auch sie hatten Frauen und Kinder. Man schnitt ihnen nicht einfach im Schlaf die Kehlen durch. Das war nicht die Art des weißen Mannes. Durch einen Moment der Unachtsamkeit aufgeschreckt, waren die Indianer binnen Sekunden an ihren Tomahawks. Ein Glück, dass Jack und seine Kameraden schnell das Signal zur Flucht gedeutet hatten und in einer Staubwolke verschwinden konnten. Der folgende Tag war dann allerdings nicht so gut verlaufen. Ken und Joe hatten ihn mit dem Leben bezahlt. Jack ließ seine müden Augen über den dunkel bewaldeten Kamm gleiten. Er machte sich nicht zu viele Sorgen, dass sie verfolgt würden. Doch man konnte nie sicher sein so weit draußen. Er zerschlug eine Mücke, die sich an seinem bloßen Unterarm labte. Ein kleiner, gleichmäßiger Blutfleck blieb zurück. Er würde sich dieses Land weiter erkämpfen. Denn es war ihnen von Gott gegeben.

„Jack! Jack!“ rief es vom Feuer her. „Schwing deinen Hintern her und komm essen!“
Bruce hatte seine Suppe zu Ende gekocht.
Jack tätschelte seine Stute ein letztes Mal und wankte langsam zum Feuer. Er hatte einen Bärenhunger.
„Dann mal her damit“, knurrte er.
Die Suppe tat gut. Heiß floss sie die Kehlen der hungrigen Männer hinab wie ein Gebirgsbach an einem heißen Sommertag.
„Feines Süppchen, Kamerad“, lobte Jack.
Bruce knurrte kurz und schien das Lob zu akzeptieren.

Sein wortkarger Reitgenosse war ein entflohener Sklave. Der Stamm der Owatschis hatte ihn gewaltsam noch als Säugling von der Brust seiner liebenden Mutter gerissen. Seine Kindheit bestand aus Holzhacken, Bisonzerlegen und Steineschleppen. Er musste Marterpfähle schnitzen, Suppen kochen und Brunnen bauen. Die Owatschis hatten ihm eine lange Liste von Missetaten mitgegeben, die er nun, in Freiheit, Punkt für Punkt mit Vergeltung abhaken wollte. Als sich seine und Jacks Wege das erste Mal gekreuzt hatten, waren sie umeinander geschlichen wie zwei silberrückige Pumas auf der Balz. Doch bald schon lagen sie sich betrunken in den Armen, tanzten um das Lagerfeuer und zogen sich nackt aus. Der Hass auf die Rothäute und ihre Sitten hatte sie zu Blutsbrüdern gemacht. Fortan rauchten sie regelmäßig eine Friedenspfeife und schworen Rache.

Nachdem sie den ganzen Topf geleert hatten, überkam sie eine große Müdigkeit. Sie löschten das Feuer und kletterten alsbald unter ihre Ponyhaardecken. Die Nacht würde kalt werden. Über ihnen blinkten die Sterne, scharfgezackt wie die blankgewienerten Sporen an ihren Stiefeln. Schön, aber auch mit eisiger Kälte. Beide Outlaws waren schnell in tiefem Schlummer versunken.

Jack schlug die Augen auf.
Die restliche Glut war schon fast verloschen und glimmte nur noch leise vor sich hin. Irgendetwas hatte ihn geweckt. Da! Ein leichtes Rascheln kam von der Böschung. Schritte! Sofort hellwach, tastete er nach seinem Colt. Aber da war kein Colt! Jack blieb mucksmäuschenstill liegen und wagte kaum zu atmen. Es raschelte ein weiteres Mal. Ein vorsichtiges Rascheln, aber da war etwas. Ein Coyote? Ein Hase? Eine Königskobra? Jack kniff die Augen zusammen und suchte im Dunkel nach Hinweisen, doch da war nichts, außer Neumond. Ein Uhu schuhuhte.

Verdammt! Hatten ihre Häscher sie doch gefunden? Sie hätten Wache halten sollen. Knacks! Ein Ast knackte. Das musste ein Mensch sein. Der Uhu schuhuhte ein weiteres Mal, und dann hatte das Warten ein jähes Ende. Auf das Kommando des Uhus erhoben sich zahlreiche dunkle Schemen. Es waren mindestens ein Dutzend. Jack blickte sich panisch um. Sie waren umzingelt!

Brenton Spade ist Cowboy.