Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Hanshin Tigers

von Violet P. Räisänen

Hinter der verspiegelten Brille verbargen sich zwei schneidende Augen, schärfer als rote mexikanische Chilischoten. Der Platz, auf dem der junge Mann saß, schien taktisch gut gewählt: die Station der Untergrundbahn hatte hier nur einen Ausgang, und oft staute sich der Fluss der Menschen ein wenig zurück, so dass niemand schnell und unentdeckt herausflitzen konnte. Die Bahn war vor 90 Jahren gebaut worden, in einer Zeit, als die Stadt noch die Hälfte der Bewohner von heute besaß. Sie war rasant gewachsen, und die Verkehrsmittel hatten mit dieser Entwicklung nicht Schritt halten können. Jeden Tag drängten sich die Arbeiter und Angestellten, Schulkinder und Pensionäre, Geschäftsleute und Taschendiebe in den engen und überhitzten Gängen des Untergrunds.
Die Station „Sauerkirschenallee“ war hoffnungslos überlastet bis in die Randstunden des Tages. Der Mann mit der verspiegelten Brille saß auf einer maroden Bank, auf welcher ein Sitzbrett bereits herausgebrochen war, wartete auf die nächste Bahn, und las in einem Manga. Seine Schuhe liefen in eine gebogene Spitze aus. Er trug eine schwarze Anzughose, ein akribisch gebügeltes Hemd in Ockergelb, aber keine Krawatte. Unter seinen Achselhöhlen hatten sich dunkle Schweißflecken gebildet. Sein Gesicht verriet asiatische Züge, wenngleich seine halblangen Haare, die unter der Baseballmütze mit der Aufschrift „Hanshin Tigers“ und Schriftzeichen in Kanji hervorlugten, in sattem Blond golden an den Spitzen schimmerten. Ein paar Schweißperlen verharrten in seinem jungenhaften Gesicht. Ein leichter Oberlippenflaum umspielte seinen dünnen, strichartigen Mund.

Heißer Hauch und das Quietschen der Bremsen kündigte die nächste Bahn an. Um diese Zeit war der morgendliche Hochbetrieb bereits etwas abgeklungen, so dass es ein Leichtes sein müsste, die Frau auszumachen. Der Japaner rührte sich nicht. Die Frontlampen des Triebwagens blitzten für einen kurzen Moment in seiner Brille auf, als die Bahn um die Ecke bog und in die Station rauschte. Ungefähr zwei Dutzend Passagiere warteten am Bahnsteig auf das Halten der Bahn. Er steckte den Manga in die Tasche seines karierten Jacketts, erhob sich von der Bank, und trat zu den Wartenden. Mit einem lauten Schnaufen platzten die Türen auf. Jetzt musste es schnell gehen. Der Japaner zuckte leichte mit dem Mundwinkel. Die Anspannung war ihm anzumerken. Er war erst kürzlich in das Beschattungsgeschäft eingestiegen und hatte bisher erst einen Auftrag abgeschlossen, nicht unbedingt erfolgreich, doch so genau konnte es am Ende niemand sagen. Der Boss war ziemlich ungemütlich geworden, aber er konnte sich noch einmal herauswinden aus der ganzen unangenehmen Sache. Dies hier war seine zweite Chance, und er war fest entschlossen, sie zu nutzen.

Und er hatte Glück. Da war der Zwerg! In einer Schuluniform verließ er die Bahn, nur einen Waggon rechts von ihm, und strebte dem Ausgang entgegen. Der Japaner wartete noch einen Moment, bis alle eingestiegen waren, und drehte sich dann ruhig der Treppe entgegen. Mit langsamen, aber bestimmten Schritten machte er sich an die Verfolgung des Zwerges. Wohin wollte er? Das musste er unbedingt herausfinden. Sein Boss hatte gesagt, dass er diesmal nicht versagen durfte. Er konnte zwar nicht genau verstehen, warum er ihn als Grünschnabel auf den Zwerg angesetzt hatte, wenn es eine so wichtige Mission sei, doch darüber konnte er sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Oberhalb der Treppe musste er sich ein bisschen beeilen, denn der Zwerg legte einen erstaunlich schnellen Schritt an den Tag. Der Weg schien nach Osten zu führen — wollte er auf den Jahrmarkt? An der Pferdefleischerei blieb der Zwerg stehen, schaute auf seine Uhr, sprach kurz in seinen Hemdsärmel und blickte sich um. Dann ging er weiter, auf den Jahrmarkt zu. Sein Beschatter huschte ihm hinterher. Zuckerwatte mochte er gerne, dachte er sich dabei, wollen wir doch mal sehen, was der Gnom dort will.