Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Sonatine für drei Füchse

von Pjotr Zapatov

ein weiteres Juanita-Shalima-Abenteuer

Juanita Shalima schleppte sich mit zerfetzten Knöcheln den steinigen steilen Steig hinunter. Die Begegnung mit der Fuchsbande steckte ihr in den Gliedern. Noch spürte sie jedoch genug Kraft, um das Dorf weiter unten rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit zu erreichen. Aus den Schornsteinen quoll ein dreckiger weißer Rauch, der das Rosa der Abenddämmerung zerriss.

Sie blickte sich um, und als sie sah, dass ihr keiner der Füchse gefolgt zu sein schien, nahm sie ihren Rucksack ab und setzte sich für eine letzte Pause auf einen Felsblock entlang des Weges. Verpflegung hatte sie keine mehr, doch die kleinen Pause tat ihr gut. Sie schloss für einen Moment ihre Augen, sog die kalte Abendluft ein und rieb sich ihre Knöchel.
Eine Stunde später erreichte sie die erste Hütte des Dorfes. Ein gekreuzigter Fuchsbandwurm auf zwei roh geschlagenen Fichtenhölzern bildete das Ortsschild. In der Hütte konnte sie kein Licht ausmachen. Das Dorf schien nicht groß zu sein, die Hütten schmiegten sich eng an die Schwarzfichten im Tal. Zu beiden Seiten ragten Felswände steil empor – zu steil, um dort hinauf zu klettern.

Dunkel lagen die Hütten nebeneinander, von Bewohnern keine Spur. Nur der weiße Rauch deutete darauf hin, dass sie nicht alleine im Dorf sein konnte. Sie pirschte leise über das feuchte Gras, hielt ihre Zwille dabei fest umklammert und hoffte dabei, möglichst schnell einen Schlafplatz für die Nacht zu finden. Der Rauch entstieg der vierten Hütte. Und tatsächlich war hier auch ein Licht auszumachen, wenn auch schwach. Juanita Shalima schlich sich vorsichtig an das Fenster heran und versuchte, hinein zu spähen. Die Scheiben waren mit dicken Dreckschichten überzogen, und Juanita musste mit ihrer Hand kräftig am Glas reiben, um überhaupt etwas zu erkennen.

Drinnen saß ein hässlicher Gnom auf dem Boden und war damit beschäftigt, irgendetwas zu zerschneiden. Dabei ging er trotz seiner äußerlichen Derbheit sehr behutsam vor. Mit einem kleinen Messer ritzte er Streifen von einem nicht näher zu erkennenden Stück ab und legte sie fein säuberlich neben sich in eine Reihe. War es ein Fleischstück, oder ein Fisch? Durch das schmutzige Glas konnte es Juanita Shalima leider nicht deutlich genug ausmachen. Weitere Personen waren nicht zu sehen. Der Gnom hatte zwar ein Messer in der Hand, doch warum sollte er eine erschöpfte Wanderin abweisen? Sie entschied sich, es darauf ankommen zu lassen, und klopfte dreimal kräftig an die Tür.
„Chrah?“ entwich es dem Gnom.
„Sei gegrüßt!“ antwortete Juanita Shalima. „Gibt es in diesem Ort wohl eine bescheidene Portion Fleisch zum Abendbrot und ein Lager für die Nacht für eine erschöpfte Wanderin?“
Der Gnom sagte nichts und funkelte sie nur mit eisigen Augen an. Nach einem kurzen unsicheren Moment der Spannung hob er langsam sein Messer, spießte ein Stück Fleisch auf – es war tatsächlich Fleisch, wie sie nun sehen konnte – und warf es auf einen kleinen Blechnapf.
„Da! Iss!“ bellte er. Vorsichtig näherte sie sich dem Napf, wobei sie der Gnom keinen Moment aus den Augen ließ. Langsam nahm sie den Napf, roch am Fleisch und biss hinein. Es war roh, aber zart. Während sie stumm Bissen für Bissen zerriss und hinunter schluckte, konnte sie den Gnom naher betrachten. Er hatte einen Glatzkopf, der mit Leberflecken übersät war, darin steckten tiefliegende Augen. Seine Nase war breit und abgefressen, unter den wulstigen Lippen sprießten drei dünne graue Härchen. Unter den verhärmten Gesicht wölbte sich ein unansehnlicher Kropf. Kleine fette Ärmchen stakten aus seinem Körper.
„Schmeckt wie Reh“, ließ sich Juanita schließlich hinreißen, um das Eis zu brechen.
„Ist Reh!“ wieherte der Gnom, und schüttelte sich vor Lachen, nur um Sekunden später wieder blitzartig in einen reglosen Zustand zu fallen - nur seine Augen bewegten sich und fixierten sie.
Juanita Shalima ließ ihren Blick über das Zimmer schweifen. An der Wand über den offenen Feuer hing ein Stalin-Porträt, es war bereits leich abgeschubbert. Eine Ecke sah aus wie angebissen. Darüber befand sich eine dicke Spinnwebe, die zur Ecke führte. Ein Fettfleck zierte die ganze Ecke, es sah nicht schön aus. Dann gab es noch einen Biedermeier-Sekretär, und eine antik aussehende riesige Vase, die fast bis zur Zimmerdecke, welche zwar gedrungen, doch schon so viel Platz bot, dass man bequem stehen konnte, ohne sich den Kopf zu stoßen, reichte. Insgesamt war der Raum karg eingerichtet. Ein Bett war nicht zu sehen, eine weitere Tür ebenfalls nicht. Schliefen Gnome nicht? Ihr Blick kehrte zu dem Glatzkopf zurück.
„Dessert?“ fragte der unvermittelt? Er schien langsam Gefallen an seiner Gastgeberrolle zu finden.
„Dessert? Warum nicht? Was…“
Weiter kam sie nicht - in einem atemberaubenden Knall flog die Tür in den Raum und in Sekundenschnelle war alles in den dichtesten Rauch getaucht! In der Tür stand eine Fuchssilhouette - nein, drei Fuchssilhouetten! Die Fuchsbande hatte offenbar erfolgreich Witterung aufgenommen! Juanita Shalima unterdrückte einen Schrei und warf sich mit reflexartiger Wucht in Richtung Gnom, der vollkommen überrascht schien und nur noch quieken konnte. Sie packte ihn am Kragen, rollte ihn zu einer Kugel und beförderte ihn mit Schwung in Richtung Tür, wo er die drei Füchse hart um kegelte. Sie flogen in alle Richtungen, prallten an Türrahmen, Decke und Planken, und waren sofort tot.
„Strike!“ jauchzte Juanita, lief zum Gnom und entrollte ihn wieder. An ihm klebte rotes Fell. Er sah erst sie verwirrt an, dann die toten Füchse, und dann wieder sie.
„Ich hab noch einen Rest Vla da“ , konnte er noch sagen, dann fiel er ihn Ohnmacht. Juanita verspürte einen Hauch Mitleid, hievte den Gnom zärtlich auf ihren Rücken und legte ihn auf den Tisch ab.
„Ich liebe Vla!“ flüsterte sie.