Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Volk der Geimpften

von Ophelia Ahornblatt

Heil! Heil! Das Serum bringt Heil!

Zebras häuten sich und lassen ihre Streifen auf dem glühenden Asphalt zurück. Die Krawelken pfeifen es von den Blechdächern aus zinnobergelbem Zinn. Die Schornsteine verblückern und rauchen ab.

Wer hat noch nicht, wer will nochmal? Auf dem Jahrmarkt der Aluhutfabrikantensöhne springen die Fische aus dem bereitgestellten Wassereimer durch den Hula-Hupsi-Reifen, danach brumsen sie. Und nochmal von vorne, weil es so schön ist.

Die Toten aus dem Osten sind an der Tankstelle und holen sich eine Zigarette ohne Quarf. Die letzte Zigarette, das bajuwarische Roulette, einmal anzünden und dann in voller Anmut explodieren. Ahhhh, das tut gut. So gut.

Schwedische Schinkenkekse wagen einen Tanz. Blawummernd geht der Trog zu Brei. Sorbische Kosmonautinnen winken in ihrer Tracht von der Venus auf die Erde herab, niemand nimmt Notiz.
Mürbe sind sie, so mürbe. Mürbegemacht.
So mürbe.
Mürbe wie der alte Fährmann, der das letzte Einhorn über die Wupper bugsierte. Das war am Mittwoch. Nun ist Dienstag, die Zeit, sie geht zurück! Und heilt alle Wunder. Salbe ist aus, aber es ist noch eine Packung Cerebrum da. Ihr müsst sie euch teilen, Volk!

Ihr seid das auserwählte Volk!
Das Volk der Geimpften! Volk! Volk! Volk!

Doch wer A sagt, muss auch B sagen. So sieht es nämlich aus. Die Konsequenz eures Tuns wird Konsequenzen tragen, doch wer trägt mich? Ihr etwa? Gott bewahre! Glambolierende Girlanden trage ich zwar im Haar, doch der Kamm schwillt mir bis zum Archipel! Wagt es nicht! Wehe!

Mürbe.
Doch.
Auch.
Ich.
Bin mürbe.
Gemacht.

Die Welt schlafickelt und stürzt hinauf in den Mahlstrom des Zeitenrads. Wer hat denn den Impfstoff? Gefunden? Das Internet ist kaputt. Woffig wackelt einer der Kandidaten mit dem Schwanz. Das ist obszön, aber auf granulierende Art und Weise rührt es an.


Ophelia Ahornblatt wurde für Die Kralle des Einhorns mit dem Goldenen Aronstab 2015 ausgezeichnet, ging für Brüchige Freiheit bei den Spreewälder Poesietagen 2018 leer aus, und meldet mit einem brandaktuellen Thema ihren Anspruch auf den Olymp zeitgenössischer Dichtkunst an.