Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Der Plan

von Francesco di Calzone

„Zweite Kasse, bitte!“ brüllte Stephan Müller quer durch den Swingerclub, während er mit erigiertem Glied in der Hand auf ein fickendes Pärchen zurannte. Den Spruch hatte er sich vor Jahren mal ausgedacht und fand ihn immer noch urkomisch. Leider fand das fickende Pärchen das nicht, jedenfalls beachteten sie den Lanzenträger Stephan Müller nicht. Die Dame heulte dagegen wild auf, fast schon wiehernd, während der Ochsenmann hinter ihr aufschrie „Pahahaha!“ und abspritzte wie eine Wasserbombe, die auf eine mexikanische Kaktee trifft. Stephan Müller war zu spät zum mitmachen. Warum hatte es auch wieder Stau gegeben nach der Arbeit auf dem Weg hier in die „Saftschenke“? Scheisse, echt. Innerhalb von Sekunden erschlaffte sein Glied und er rannte in die Umkleidekabine, um sich anzuziehen. Ein bisschen später kam auch der Ochenmann herein, noch immer mit hochrotem Kopf, und kratzte sich am Geschlechtsorgan.
„Mann, was ein Fick. Irre.“ sagte er mehr zu sich selbst als zu Stephan Müller und schloss seinen Spind auf.
„Ja, hab den Schluss noch gesehen“ grinste Stephan Müller zurück. Aber innerlich kochte er. Warum ging für ihn nicht mal so ein irrer Fick. Warum gab es für ihn immer nur horrenden Eintritt, überteuerte Pommes und dann zuhause wieder nen Porno vom Vierkopf VHS Recorder. Elend. Aber das würde sich bald ändern. Denn Stephan Müller hatte einen Plan.

Fünf Jahre später.

Rücklings duckte sich Stephan Müller durch die unterste Reihe des Stacheldrahts, von dem er in weiser Voraussicht eine Nacht vorher die Stacheln mit aufgeschnittenen Tischtennisbällen und Tesafilm zugeklebt hatte, um nicht gepieckst zu werden. „Au!“ Ach nein, es war nur ein Tischtennisball, der ihn leicht am Gesäß berührt hatte.
Nach fünf Minuten war Stephan Müller auf der anderen Seite des alten Militärgeländes angekommen, fertig mit den Nerven, aber auch gefasst und sicherer denn je, seinen wilden Gedanken Taten folgen zu lassen. Auf allen Vieren robbte er weiter, langsam, sachte, Stephan Müller! Nicht, dass dich jemand entdeckt! Die Schnecke oder die Ameise dort drüben vielleicht. Weiter ging es, einen Arm nach dem anderen, das Ziel immer fest im geistigen Visier, wie ein bleiernes Emblem, Kraft, ja, Kraft würde es geben.
Langsam setzten die Schmerzen ein. Stephan Müller war bis zum Militärgelände, das mindestens zwei Kilometer von seinem Haus (Lehmhütte) entfernt gelegen war, gelaufen, und das gar nicht mal langsam! Dann noch die Aufregung, das Über-den-Boden-Robben, die ständige Fokussierung auf das Ziel… War es das wirklich wert? Dieser körperliche Grenzgang? Mitten im Morgengrauen, wo sich andere Leute zuhause in ihren warmen, weichen Betten gerade nochmal für die zweite Runde gemütlichen, sanften Schlaf hingelegt haben, nachdem sie diesen kurz unterbrochen hatten, nur um schnell mal eine Köpfchen zu rauchen?
Zweifel legten sich über Stephan Müllers Kopf, wie der Turban über den Stammesführer einer Karawane in der Westsahara. Plötzlich war er sich gar nicht mehr sicher. Er rülpste, wobei ihm fast die Kellogg’s Smacks aus der Nase kamen, die er zuvor zur Stärkung gefuttert hatte.

Herbert Hirsch war auf Krawall gebürstet. Es war Brunftzeit, Brotzeit hatte er dagegen heute noch nicht gehabt und außerdem nervte ihn, dass es zum alten Militärgelände, in dem er jetzt eine heiße Hirschkuh vermutete, nur einen Zugang gab, so, dass er einmal fast komplett um das Gelände latschen musste um reinzukommen. Als er schließlich ankam, traute er seinen Augen kaum: Keine einzige heiße Hirschkuh, dafür nur ein fetter Mensch, sehr schlecht versteckt unter einer Schicht Tarn-Utensilien aus der Sportangler-Abteilung des Decathlon Tübingen Ost. Herbert Hirsch war schockiert und jetzt auch richtig sauer. Mit einem Affenzahn lief er auf den menschlichen Müllberg zu, spießte ihn mit seinem Geweih gleichzeitig von hinten durch Hals und Rückenmark, wirbelte ihn durch die Luft und trat ihm, als er wieder auf dem feuchten Waldboden gelandet war, noch einmal in die hässliche Visage. „Verdammte Hippies“ raunte er im Weggehen.

Die Beisetzung von Stephan Müller fand in kleinem Rahmen statt. Er hatte nicht viele Freunde gehabt und da man nur ein kothaufengroßes Erbe vermutete, war auch die Verwandtschaft nicht in großer Stückzahl angerückt. Dafür hatte sich der Priester umso schlechter auf die Grabrede vorbereitet.
„Ja, hm, was soll ich sagen“ nuschelte er, während er eine Zigarette rauchte, „irgendwie ist er wohl gestorben… Sonst wäre er jetzt ja nicht tot.“
Ein letztes Molekül Anstand in seinem Körper führte dazu, dass der Priester jetzt rot anlief. Ein bisschen besser hätte er sich auf die Rede ja schon vorbereiten können. Egal, ihm hörte ja eh keiner zu.

Der Autor vermittelt Gefühle im Maßanzug. Perfekt zugeschnitten, top modisch. Nur leider hängen die Nadeln noch drin.
Sonnenreich – Magazin der akademischen Esoteriker.

Francesco die Calzone ist die italienische Antwort auf Göthe.
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