Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Inkubation (Pilotfolge)

Exposé für eine dramatisch gehaltene Amazon-Prime-Exklusiv-Serie, von Viktoria Barsch

–In einem Labor. Viele Wissenschaftler mit Kitteln und Brillen sitzen an einem runden Tisch. Einer trägt was vor. Wir hören aus dem Off, während wir in die Gesichter des Publikums blicken:

„Die Inkubationszeit beträgt 13 Tage. Danach fängt der Wurm an, täglich 8.000 Eier in der Gesäßfalte abzulegen, von denen wiederum nach zwei Tagen kleine Larven schlüpfen. Sie dringen durch den After ein und wandern langsam den Darm entlang und knabbern ein bisschen hier und da herum. All dies geschieht unbemerkt von der parasitär befallenen Person.“

–In der Hochhausschlucht von Norderneys Westküste steht ein hagerer Mann in einem Trenchcoat. Die Kamera ist in der Vogelperspektive, man erkennt den einsamen Mann, ganz verloren unter all den Wolkenkratzern.

Müller zieht sich den Rollkragen noch fester, so dass er kaum noch Luft bekommt. Angst umweht seinen Schritt, eine Angst, so tief wie die Schlucht am Ende der Insel, in den die Bewohner regelmäßig, aber illegalerweise ihre Speisefettsäurensammelbehälter entsorgen, wenn keiner hinsieht.
Angst, so umfassend wie ein Patronengurt an einem Brontosaurus.
Angst, so gewaltig wie eine Welle, ausgelöst durch Tausende von einem Navy-Seals-Truppentransporter ins Meer gestoßene asiatische Elefanten (die mit den kleinen Ohren).

–Der Mann atmet schwer. Zoom auf seinen Mund.

Schwer atmend bleibt Müller unter einer fauchenden Gaslaterne aus dem letzten Jahrhundert stehen, legt seinen Arm auf den Bauch und geht in die Knie.
Wie viel Zeit bleibt mir noch? fragt er sich. Tage Stunden oder Minuten? Werde ich meine Tochter noch mal sehen? Werde ich nochmal das Meer sehen? Bei dem letzten Gedanken schießt ein Schmerz durch seinen linken Augapfel bis tief in die Schläfe. Nein, nicht das Meer. Alles, selbst Kärnten wäre okay, nur nicht das Meer!

–Draußen, vor dem Meer, da liegt das Watt. Fünf Minuten Totale. Es passiert nichts. Man sieht einen Wurm (beziehungsweise man würde einen Wurm erkennen wenn man in der BluRay-Veröffentlichung ganz genau hinsieht). Ein Easter Egg für den Filmnerd.

Ruhig liegt es da, nur gelegentlich fleucht ein fauliges Fauchen aus einem sich öffnenden Loch. Hier gilt das Naturschutzgesetz der Niedersachsen. Es herrscht Recht und Ordnung im Watt. Doch das Gesetz der Natur ist nicht das Gesetz des Menschen. Dort im Watt, dort lauert er. Der Wattwurm. König des Watts.
–In Leuchtschrift flackert kurz das Wort König grell auf.

Die Morgenfähre liegt ruhig im Hafen von Norddeich Mole. Vergnügt albern einige Touristen herum, necken sich, machen Schnappschüsse. Sie freuen sich auf den wohlverdienten Urlaub. Sie wissen noch nichts von der Gefahr und freuen sich gewaltig auf ihre Thalasso-Therapie. Um Punkt Acht tutet das Schiff und alle sind ab Bord.

–Wir sehen in einem Gegenschuss: Müller ist einer der Passagiere. In seinem roten Rollkragenpulli fühlt er sich bereit für die Kur.
Das Schiff ist ausgefahren. Die aktuelle Reederei ist noch neu in dem Geschäft, nachdem die vorherige Reederei die fällig gewordene Ausschreibung knapp verloren hatte gegen den Neuling aus China. Der Wattwurm weiß: seine Stunde ist nun gekommen. Langsam und unbemerkt von der Crew kriecht eine Armada seinesgleichen die Außenhaut der Fähre hoch.

–Wir setzen hier auf den Hitchcock-Effekt: man muss die Bombe unter dem Tisch ticken sehen, während die Gesprächspartner am Tisch davon keinen blassen Schimmer haben. Suspense galore!

Endlich bemerkt ein Seemann den ersten Eindringling. Bitter, die Erfahrung, wie mit den Gefahren des Watts umgegangen werden muss, haben die Chinesen natürlich nicht. Sie fluchen und hacken aufgeregt auf ihren Handys herum. Doch sie bekommen keine Verbindung zu Beijing. Die Infrastruktur für 5G ist leider noch nicht aufgebaut.

–Cliffhanger, Abspann.