Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Kaffee für Satan

von Elbfeind Kaschmir

Der Donner erschütterte die Zähne der Matrosen so sehr, dass es klang als würde jemand mit grober Gewalt an einer mit feinem Porzellan befüllten Vitrine rütteln. Blitze zuckten über die tosenden Wellen, als Satan das Meer mit seiner Elektropeitsche geißelte. Die Gischt, die den Männern ins Gesicht schlug, war ein salziger Vorgeschmack auf die unendlichen Wassermassen, die sie am Meeresgrund erwarteten. Das Schiff stöhnte und ächzte unter dem harten Griff der See, die ihm wie einem lahmen Gorilla das Rückgrat zu brechen drohte. Die Seemänner starrten paralysiert mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen ihrem Ende entgegen. Billy war nicht beeindruckt. Auf der See kannte er sich aus. Backbord, Steuerbord, er war ein nautisches Lexikon und kannte alle Begriffe. Sein Blut war extrem maritim. Er hatte sehr starke Kieferknochen, die dem Donner trotzten. “Ich bekomme das verdammte Ding nicht auf!” - die Worte seines ehrwürdigen Vaters, der bei dem Versuch, ein Gurkenglas mit einem Messer zu öffnen, zu früh aus seinem und dem Leben seines einzigen Sohnes geschieden war, hallten mahnend durch Billys Schädel. Es wäre nicht das erste Mal, dass er auf hoher See unterginge. Sein Trick war denkbar einfach: Er würde wie immer geradeaus in eine Richtung schwimmen. Früher oder später stößt man immer auf Land. Um nicht zu erfrieren, tat er es den Enten gleich und hatte sich wie jeden Morgen prophylaktisch mit Gänseschmalz eingerieben.
Er hatte nie eine offizielle Ausbildung als Seemann genossen und war nur gegen die Auszahlung ungeheurer Summen als Navigator, gegen den Willen des Kapitäns und der gesamten Besatzung, an Bord gelassen worden. Besagte Besatzung bestand aus einem übel riechendem Haufen von Räubern und Mördern. Halunken, deren einzige Alternative zur Seefahrt der Galgen oder das Schafott darstellten. Viele von ihnen ahnten jedoch schnell, dass der schnelle Tod durch das Fallbeil die bessere Wahl gewesen wäre, als Billy nach dem Verlassen des Hafens auf dem Deck ein Feuer machte und ausrief: “Karten sind für Arschlöcher und Frauen! Mein Herz weist mir den Weg!”
Wegen des anstehenden Osterfestes nahm Billy das, was er für den korrekten Kurs in Richtung Osterinseln hielt. Bereits wenige Minuten später fanden sich Besatzung und Passagiere im schlimmsten Sturm, den sie je erlebt hatten, wieder.
“Hisst das Achtersegel! Steuerbord! Backbord!” schrie Billy über die Befehle des Kapitäns hinweg, der versuchte, sein Leben und das seiner Besatzung, mit Ausnahme von Billy, zu retten. Mehrere Schüsse lösten sich “versehentlich” aus diversen Pistolen und Musketen, doch Dank der tosenden See verfehlten sie Billy. Dieser missinterpretierte die Schüsse als ein vorzügliches Ritual, dem Sturm zu trotzen und feuerte blind aufs Meer hinaus. Er traf den Kapitän und dessen Schiffsjungen tödlich. Billy befahl ein Schlauchboot aus der größtenteils unversehrten Haut der beiden Kadaver zu nähen, da er die Rettungsboote im Hafen mit den Worten “Rettungsboote sind für Arschlöcher und Frauen! Mein Herz kennt keine Feigheit!” verbrannt hatte. “Was ist das nur wieder für ein Schlamassel?” seufzte Billy in sich hinein. “Du, mach Kaffee!” fuhr er harsch den weinenden Smutje an, der gerade den Schädel des Schiffsjungen schälte. Gehorsam humpelte der dicke Koch gen Kombüse. Als Billy nach fünf Minuten immer noch auf den Geruch frisch aufgebrühten Kaffees warten musste, machte er sich wutschnaubend auf den Weg unterdeck. Er verließ, das von Schreien und Blut durchmischte Chaos um den faulen Smutje zur Rede zu stellen. In der Kombüse angekommen sah er den dicken Koch mit einer verschlossenen Büchse Kaffee ringen. “Ich bekomme das verdammte Ding nicht auf!” stöhnte der Dicke und sank erschöpft zu Boden. “Hier probier du mal!” sagte er schnaufend und warf Billy die Dose zu. “Soll ich die aufbeißen oder was? Wo ist der Dosenöffner?” fragte Billy hitzig. “Hier!” antwortete der Koch und zeigte auf ein Messer.

“Perfekte Gratwanderung” Frau