Kaffee für Satan
von Elbfeind Kaschmir
Der Donner erschütterte die Zähne der Matrosen so sehr, dass es klang
als würde jemand mit grober Gewalt an einer mit feinem Porzellan
befüllten Vitrine rütteln. Blitze zuckten über die tosenden Wellen, als
Satan das Meer mit seiner Elektropeitsche geißelte. Die Gischt, die den
Männern ins Gesicht schlug, war ein salziger Vorgeschmack auf die
unendlichen Wassermassen, die sie am Meeresgrund erwarteten. Das Schiff
stöhnte und ächzte unter dem harten Griff der See, die ihm wie einem
lahmen Gorilla das Rückgrat zu brechen drohte. Die Seemänner starrten
paralysiert mit vor Entsetzen aufgerissenen Augen ihrem Ende entgegen.
Billy war nicht beeindruckt. Auf der See kannte er sich aus. Backbord,
Steuerbord, er war ein nautisches Lexikon und kannte alle Begriffe. Sein
Blut war extrem maritim. Er hatte sehr starke Kieferknochen, die dem
Donner trotzten. “Ich bekomme das verdammte Ding nicht auf!” - die Worte
seines ehrwürdigen Vaters, der bei dem Versuch, ein Gurkenglas mit einem
Messer zu öffnen, zu früh aus seinem und dem Leben seines einzigen Sohnes
geschieden war, hallten mahnend durch Billys Schädel. Es wäre nicht das
erste Mal, dass er auf hoher See unterginge. Sein Trick war denkbar
einfach: Er würde wie immer geradeaus in eine Richtung schwimmen. Früher
oder später stößt man immer auf Land. Um nicht zu erfrieren, tat er es
den Enten gleich und hatte sich wie jeden Morgen prophylaktisch mit
Gänseschmalz eingerieben.
Er hatte nie eine offizielle Ausbildung als Seemann genossen und war nur
gegen die Auszahlung ungeheurer Summen als Navigator, gegen den Willen
des Kapitäns und der gesamten Besatzung, an Bord gelassen worden.
Besagte Besatzung bestand aus einem übel riechendem Haufen von Räubern
und Mördern. Halunken, deren einzige Alternative zur Seefahrt der Galgen
oder das Schafott darstellten. Viele von ihnen ahnten jedoch schnell,
dass der schnelle Tod durch das Fallbeil die bessere Wahl gewesen wäre,
als Billy nach dem Verlassen des Hafens auf dem Deck ein Feuer machte
und ausrief: “Karten sind für Arschlöcher und Frauen! Mein Herz weist mir
den Weg!”
Wegen des anstehenden Osterfestes nahm Billy das, was er für den
korrekten Kurs in Richtung Osterinseln hielt. Bereits wenige Minuten
später fanden sich Besatzung und Passagiere im schlimmsten Sturm, den sie je
erlebt hatten, wieder.
“Hisst das Achtersegel! Steuerbord! Backbord!” schrie Billy über die
Befehle des Kapitäns hinweg, der versuchte, sein Leben und das seiner
Besatzung, mit Ausnahme von Billy, zu retten. Mehrere Schüsse lösten
sich “versehentlich” aus diversen Pistolen und Musketen, doch Dank der
tosenden See verfehlten sie Billy. Dieser missinterpretierte die
Schüsse als ein vorzügliches Ritual, dem Sturm zu trotzen und feuerte
blind aufs Meer hinaus. Er traf den Kapitän und dessen Schiffsjungen
tödlich. Billy befahl ein Schlauchboot aus der größtenteils unversehrten
Haut der beiden Kadaver zu nähen, da er die Rettungsboote im Hafen mit
den Worten “Rettungsboote sind für Arschlöcher und Frauen! Mein Herz
kennt keine Feigheit!” verbrannt hatte. “Was ist das nur wieder für ein
Schlamassel?” seufzte Billy in sich hinein. “Du, mach Kaffee!” fuhr er
harsch den weinenden Smutje an, der gerade den Schädel des Schiffsjungen
schälte. Gehorsam humpelte der dicke Koch gen Kombüse. Als Billy nach
fünf Minuten immer noch auf den Geruch frisch aufgebrühten Kaffees
warten musste, machte er sich wutschnaubend auf den Weg unterdeck. Er
verließ, das von Schreien und Blut durchmischte Chaos um den faulen
Smutje zur Rede zu stellen. In der Kombüse angekommen sah er den dicken
Koch mit einer verschlossenen Büchse Kaffee ringen. “Ich bekomme das
verdammte Ding nicht auf!” stöhnte der Dicke und sank erschöpft zu
Boden. “Hier probier du mal!” sagte er schnaufend und warf Billy die
Dose zu. “Soll ich die aufbeißen oder was? Wo ist der Dosenöffner?”
fragte Billy hitzig. “Hier!” antwortete der Koch und zeigte auf ein Messer.
“Perfekte Gratwanderung” Frau