Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Ballungsgebiet

von Alfred H. Adam

Friedrich schlug das Gesangsbuch auf. Köchelverzeichnis 461, Absatz 4, Paragraph 16. Ah, tolles Stück. Ein Fest für die Ohren. Aber Moment: So viele bunte Bilder, Angebote für Smart-TVs und lautstarke Soundbars… das war kein Gesangsbuch. Das war der Media Markt Prospekt!
Aber nein. Er rieb sich die Augen und sah noch einmal genau hin. Das waren keine Sonderangebote, das waren Salami-Stücke! Warum um alles in der Welt hatte er eine Pizza Salami zusammengeklappt ins Bücherregal gestellt? Diese Tatsache machte ihn stutzig, aber sie irritierte ihn nicht. Was ihn seelisch dagegen wirklich fertig machte und auch ein kleines bisschen aggressiv, war die Art, wie die Pizza ihn anschaute. Als wollte sie sagen: „Junge, du bist ein Verzager.“ (Ja, die Pizza hatte einen Sprachfehler und pronunzierte das „S“ immer wie ein „Z“.)

Zwei Wochen später. Friedrich knallte die Wohnungstür hinter sich zu und humpelte zum Fahrstuhl. Er drückte den kleinen, runden Knopf, der sofort zu leuchten begann. Es gab zwei dieser Knöpfe, einen mit einem Pfeil nach oben und einen mit einem Pfeil nach unten. Er wollte immer nach unten, denn über ihm gab es nur noch ein Stockwerk, den 16. Stock. Und da wohnten die Russen. Oder Bulgaren, keine Ahnung. Was sollte er da? Den Knopf mit dem Pfeil nach oben hätten die Firma Schindler sich also sparen können. Trotzdem drückte er immer den, denn wen ging es wann an, in welche Richtung er wollte? Den Aufzug? Ganz bestimmt nicht. Auf seinem Telefon hatte er Siri, zuhause Alexa und bei seinem chinesischen Tablet war er sich auch ziemlich sicher, dass es alles mitbekam, was er suchte (Porno). Also würde er bestimmt nicht auch noch freiwillig dem Aufzug verraten in welche Richtung er fahren wollte!
Sobald die Türen des Fahrstuhls sich im Erdgeschoss geöffnet hatten, begann er zu rennen. Er nannte es rennen, denn er war nicht sehr gelenkig, aber es sollte sich sportlich anhören in seinem inneren Monolog. Es war eher gemächliches gehen. Ein erster, zaghafter Tritt auf die Straße. Ok, kein Hundescheisshaufen. Schon mal gut. Die Hunde hatten nämlich die ganze verdammte Stadt von oben bis unten zugekackt. Eine absolute Pest. Auf der Straße roch es nach Döner, denn es gab vier Dönerläden in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Nase zu und durch. An der ersten Straßenecke legte er einen Stopp ein und ging in eine schicke neue Bar, um sich einen Espresso zu gönnen. Er setzte sich ohne zu fragen mit an einen Tisch, an dem ein junges Pärchen gerade ihr erstes Tinder-Date hatte und quasselte die beiden an:
„Wissen Sie, als ich in Ihrem Alter war, da hab’ ich nicht in Cafés rumgehangen.“ Die beiden blickten ihn skeptisch an. Was wollte der alte Typ mit den schiefen Zähnen und der Halbglatze?
„Wissen Sie, was ich statt dessen gemacht habe? Na? Ich sag’s Ihnen. Ich hab Idioten wie Ihnen beiden die Fressen plattgekloppt!“
Die Augen der jungen Frau weiteten sich. Erschrocken blickte sie zu ihrem Begleiter. Dieser zögerte. Ein Moment der Perplexität. Fight or flight. Kämpfen oder Fliegen. Ein psychologisches Dilemma wie aus dem Lehrbuch.
Kev P., so nannte sich der junge Mann in seinen Rapvideos bei Youtube, tat das einzig richtige – nichts von beidem. Er atmete tief durch und versuchte, die Situation mit den taktischen Kenntnissen zu lösen, die ihm auf der Polizeischule beigebracht worden waren. „Also erstens: wenn Sie sich hier schon einfach ungefragt an unseren Tisch setzen, stellen Sie sich wenigstens erstmal vor. Und zweitens: Bitte auch im Umgangston ein bisschen Freundlichkeit walten lassen.“
Freundlichkeit walten lassen. Mmmh. Das klang irgendwie grammatikalisch falsch. Das hätte der Deeskalationstrainer sicher so nicht gesagt. Aber ok, der Sinn war ja eigentlich verständlich.

Friedrich war das alles ziemlich egal gewesen. Sich den Tag versauen zu lassen, dadurch dass einer nicht auf seine Provokationen einging, das war eh nicht sein Ding. Dafür war er zu sehr Profi. Er hatte ganz wie geplant in Ruhe seine Machete gezogen und den Typ vor den Augen seiner Begleitung enthauptet. Überhaupt kein Problem (kleines Wortspiel). Dann hatte er seinen Espresso mit einem Schluck weggezogen, der Begleitung des Dudes beim Weglaufen zugeschaut, zugesehen wie die Bedienung rausgerannt war und sich kurze Zeit später ohne Gegenwehr von dem Spezialeinsatzkommando der Polizei abführen lassen.

Auf dem Weg in die Gewahrsamszelle trällerte er ein Liedchen: „Oh du schöhöhöner Wehehesterwald, Eukalyptusbonbong, über deine Hügel pfeift der Wind so kalt. Doch schon der kleinste Sonnenschein dringt tief ins Herz mir ein.“ Ein warmes Heimatgefühl überströmte ihn von innen. Es lief herunter vom Pump-Organ bis in den Bauch und machte ihn darüber hinaus auch noch satt. Zufrieden rülpste er. Jetzt war erstmal wieder Knast angesagt für die nächsten Jahrzehnte. War ihm eh zu voll geworden in der Stadt.

Lässt Luft nach unten. Gruppe 13 stellt die deutsche Literaturwelt auf den Kopf.
Rammler – Deutschlands Hasenzüchtermagazin No1

Naja.
Zürcher Motorboot Depesche, Abteilung Revision

Was ist das für eine Schriftart? Gibts die auch für Android Smartfone?
Günther A. via gutefrage.net