Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Der Rabe

von Malani Sagul

Dieter war einsam. Das wurde ihm jetzt umso mehr bewusst, als seine Dusche einen Defekt aufwies und er zwei Wochen lang nur Deo statt Wasser an seine Haut lassen konnte. Keiner meckerte, keiner sagt „Du stinkst aber fies, Dieter“. Denn keiner war da, außer ihm. So konnte es nicht weiter gehen. Er klickte durchs Darkweb und fragte sich, ob er sich eine Frau kaufen sollte. Aber so ein Haudegen war er eigentlich nicht. Er stöberte, las sich durch diverse Foren und Blogs und war am Ende sicher: er brauchte ein Tier.
So begab es sich, dass er sich, nachdem seine Dusche wieder ging, aufmachte zum Zoo-Geschäft und – nach langem Beratungsgespräch mit dem Besitzer – mit einer Schildkröte auf dem Arm den Laden verließ.
Die Schildkröte machte Dieter glücklich. Zumindest am Anfang. Aber dann irgendwann merkte er, dass irgend etwas nicht so ok war mit dem Tier. Er sprach mit ihr, aber sie kaute nur ihr Futter. Er fragte sie nach ihrem Befinden, aber sie starrte ihn nur mit leerem Blick an. Irgendwann dämmerte es Dieter: das Tier war einfach strohdumm. Und damit auch er, denn er hatte es sich andrehen lassen, für 400€ plus Mehrwertsteuer.
Wutentbrannt und schnaubend stand er am nächsten Tag wieder bei „Zoobedarf Waldemann“ auf der Matte und schwang die Faust:
„Tier hier!“
Er knallte die Schildkröte auf den Tresen, die zum Glück durch ihren dicken Panzer keinen Schmerz empfinden konnte.
„Tier dumm wie Scheißeklumpen!“ stieß er aus und röchelte. Die Galle stand ihm bis zur Hutschnur.
Der verdutzte Verkäufer wusste gar nicht, wie ihm geschah.
„Ja, hmm, das tut mir Leid, mein Herr. Wollen Sie von ihrem 14-tägigen Rückgaberecht Gebrauch machen?“
„Ja, Sir!“ schrie Dieter, „und ich will ein neues Viech, eins mit Grips! Her mit einem solchen!“
Die Schildkröte blickte traurig drein, als sie wieder zurück ins Regal gestellt wurde. Sie hatte es gar nicht so schlecht gefunden bei diesem Menschen. Sicher, er war ein ziemlicher Einfaltspinsel, aber es hatte immer genug Backwaren gegeben und die Wohnung von Dieter war auch relativ ruhig, er hatte gut schlafen können.
„Ich überreiche ihnen hier…“
Der Zooladen-Verkäufer hievte einen großen, mit einer Decke überzogenen Kasten auf den Tresen.
„…ein neues, schlaues Tier!“ reimte er den Satz zu Ende und gluckste froh. Er zog mit theatralischer Geste die Decke herunter und da saß das neue Tier in einem Käfig: Ein majestätischer Rabe.
Sofort legte das Federvieh los: „Gestatten, Rabe. Akademiker, Philanthrop, mehrfacher Nobelpreisträger, Intelligenzbestie.“
Ohne zu zögern griff Dieter den Käfig und rannte raus. Das Tier war seins. DEN gab er nicht mehr her, nicht für alles Geld der Welt. Dachte er und wusste nicht, wie falsch er lag…

Zwei Wochen später war Dieter immer noch überwältigt von den intellektuellen Fähigkeiten seines Haustiers, das er auf den Namen „Stephen Hawk-King“ getauft hatte, ungeachtet der nicht ganz korrekten Typbezeichnung des Vogels. Künstlerische Freiheit.
Stephen wusste auf alles eine Antwort, meistens schon bevor die Frage überhaupt gestellt worden war. Er war eine Brain-Machine, die seines gleichen sucht.
Alle waren beeindruckt. Auch Dieters neue Freunde, die er beim Raben-Traben kennengelernt hatte, eine Art Bierwanderung mit Vögeln.
Wenn sie abends in Dieters Küche zusammensaßen und tranken, zitierte Dr. Hawk-King Nietzsche oder Kant, kommentierte die neuesten Astronomie-Theorien oder rechnete Pi-Brüche vor- und zurück.
Mehr und mehr Besucher waren angetan von den Fähigkeiten des Vogels, die Gäste drängten sich im Hausflur und standen an, um in die Wohnung zu kommen. Dieter war stolz. SEIN Vogel, ein Superstar. Star, haha, Rabe, klar. Trotzdem ein geiles Feeling.
Aber einmal, da kam Dieter dann doch ins Grübeln. Sein Tier hatte gerade meisterhaft eine Oper gesungen. Die Wohnung war vollgepackt und ein dicker Mann hatte direkt vor Dieters Fresse gestanden und war beim Gesang des Vogels so abgegangen, dass er Dieter immer auf die Füße getreten war. Und gesehen hatte er auch nichts, denn der Mann war auch noch hoch gewesen.
Und noch ein weiteres mal war es zu einer ähnlichen Situation gekommen. Dieter hatte, da er in einer Bar so erheblich mit seinem schlauen Raben angegeben hatte, eine schöne, schlanke Frau mit nach Hause lotsen können. Sie schien bereit für Sex zu sein. Auch nachdem Dieter ihr den Raben vorgestellt hatte, war sie nicht enttäuscht, im Gegenteil.
Dieter gab der Frau einen Kuss, hauchte „bis gleich“ in ihr Ohr und verschwand auf der Toilette, um sich frisch zu machen.
Als er allerdings im Adamskostüm wieder ins Wohnzimmer kam, aufgeregt und erregt, bot sich ihm ein unschönes Bild: Der Rabe war dabei, seinem Mitbringsel aus der Bar in alle Löcher zu picken, die Dame schien es geil zu finden. Das war echt nicht in Ordnung. Dieter tat, als hätte er nichts gesehen, schlich sich an den beiden vorbei ins Schlafzimmer und weinte bis am nächsten Morgen, nur unterbrochen durch die Stöhngeräusche von nebenan, die seine Heulkrämpfe manchmal durchbrachen.
Als das nächste – und letzte – mal Dieters „Freunde“ zu Besuch waren, fragte einer: „Sag mal, wo ist eigentlich dein Rabe?“
„Rabe?!?“ fragte Dieter zurück „Ich hatte nie einen Raben. Du meinst wohl meine Schildkröte. Hier ist sie!“
Er zeigte seine alte, dumme Schildkröte herum.
Dann gab es noch einmal ein leckere Essen für alle. Hühnchen. Behauptete Dieter zumindest.

Ein ornitologisches Drama allererster Grütze!
Weisser Ring e.V.

Ich bekomm’ Kopfweh von so ner Sülze.
Mann, der nach dem Lesen der Geschichte plötzlich Kopfweh bekommen hat

Ein Gastbeitrag von Heinrich Göring über die Effizienz deutscher Sturmtruppen im Dritten Reich wäre mir irgendwie lieber gewesen.
Krankes Nazischwein