Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Faustkampf

von Lagavulin Müller

Endlich ist es soweit. Jason ist mit seiner Freundin Myrzia in der Disko. Der Typ vor ihm und sein buckliger Kumpel haben Jason gerade angerempelt und Myrzia beleidigt. Sie geben sich aggressiv und scheinen an einer diplomatischen Lösung nicht interessiert. Ein gewaltsamer Ausgang der Situation ist unausweichlich. Jason platzt fast vor Aufregung. Ein Faustkampf. Der ultimative Test. Der Moment der Wahrheit. Männlichkeitsritual Nr. 1. Seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten hat er von dieser Situation geträumt. Hat gehofft, unabsichtlich, denn er ist ein friedliebender Mensch, in sie hineingestoßen zu werden. Würde er bestehen oder kläglich untergehen? Bis jetzt ist er nicht weggerannt. Das ist schon mal gut. Seine Hose fühlt sich trocken an. Wie weit würde es gehen? Was, wenn die Situation eskaliert und zu einem Kampf um Leben und Tod wird? Eigentlich konnte es nur darauf hinauslaufen. Frank Metzger, der Leiter der Frankfurter Bereitschaftspolizei hatte beim Jiu-Jutsu immer gesagt, dass man bereit sein müsse seinem Gegenüber ernsthaften Schaden zuzufügen, wenn man in einer Selbstverteidigungssituation bestehen wolle. Jason war erst vier Wochen dabei, und einmal konnte er nicht wegen Hautausschlag, aber er nahm die Sache sehr ernst. War er bereit für Myrzia zu töten? Ja, keine Frage! War er ein bisschen aufgeregt und neugierig? Definitiv! Wie würde es sich wohl damit leben, wenn man erst mal einen Menschen (oder zwei) mit den eigenen Händen getötet hatte? Würde man ihre Gesichter jede Nacht nach dem Einschlafen in endlosen Albträumen vor sich sehen oder wäre es einfach ok? Sie haben ja schließlich angefangen. Hier gibt’s keine Grauzone. Jason konnte ja wohl schlecht tatenlos zusehen wie die beiden Psychopathen ihn und Myrzia mitten im Getose der Ü30-Party vergewaltigten und/oder totschlugen. Er hatte keine Wahl. Vermutlich würde er mindestens von der Lokalpresse interviewt werden. Wie gibt man sich da? Auf jeden Fall total bescheiden tun. “Nein, ich fühle mich in keinster Weise wie ein Held. Jeder andere in meiner Situation hätte genauso gehandelt. Ich hatte einfach Glück.” Ohja, das käme gut an. Das wird dann im Fernsehen rauf und runter laufen. Dauert vermutlich nicht lange, bis sich ein Headhunter meldet, um ihn aus seinem beschissenen Bürojob rauszuholen. Traurige Welt, in der man erst zwei Menschen töten muss, damit andere das Potential in einem erkennen. Dann geht’s karrieremäßig steil aufwärts. Endlich richtig Kohle. Für Myrzia ist dann aber kein Platz mehr. Zu hässlich. Und dann würde sich vielleicht auch mal was in Deutschland ändern. Ist doch offensichtlich, dass das Land auf jemanden wartet, der das Zepter in die Hand nimmt und in die richtige Richtung führt. Hat schließlich schon mal geklappt. Dann wird aufgeräumt. Die ehemaligen Klassenkameraden werden sich umsehen. Jason steht nicht mehr in der Schlage und wartet, bis die Oma das Kleingeld aufs Laufband gezittert hat. Dann fliegt das Kind aus dem fahrenden Bus wenn es schreit! Frauen darf man wieder anstarren! Wer schmatzt wird erschossen! Wie ein gewaltiger Phönix wird sich Jason aus der Asche seines bisherigen Lebens erheben und mit Panzern und Raketen die Welt nach seiner Vorstellung formen, um all der unendlichen Ungerechtigkeit ein für allemal den Garaus zu machen!

Plötzlich wird Jason von grellem Licht geblendet. “Die Pardy is vorbei, junger Mann”, sagt der Hausmeister und fegt weiter.

Jason wird Myrzia nie wieder sehen. Drei Monate später erfährt Jason das sie mit dem Buckligen verlobt ist. Er stirbt wenige Jahre später an Hautausschlag.