Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Ab nach Thailand

von Haimo Schafft

Glandolier Frechmuth saß auf ihrem Sofa und starrte auf den Fernseher. Sie starrte in den Fernseher. Sie starrte direkt in das schwarz-weiße Rauschen. Sie starrte durch den Fernseher hindurch - direkt nach Thailand. Smaragdgrünes Meer, warmer Sonnenschein und eine Gruppe kühner Affen begrüßten sie. Ein freundlicher Thai, klein aber mit nacktem Oberkörper, reichte ihr eine Kokosnuss, aus der ein aufrechter Strohhalm ragte. Alles war wenig subtil. Sie streckte ihre Hand aus.
Gequältes Babygeschrei riss Glandolier gewaltsam aus ihrem Tagtraum. Mit einem schweren Seufzen erhob sie sich vom Sofa und ruderte dabei unbeholfen mit den Armen um ihren von der erneuten Schwangerschaft schlecht ausbalancierten Körper ins Gleichgewicht zu bringen. Sie lief ins Kinderzimmer, verzog ihr Gesicht zu einer teufelsähnlichen Fratze und schrie mit heiserer Stimme in die Kinderkrippe: „EY! SEI LEISE!”
Andrusiel Frechmuth stellte sein Babygeschrei sofort ein und explodierte aus Trotz. Noch ehe die von Babyteilen gesprenkelte Mutter einen erschreckten Schrei ausstoßen konnte, berührte sie das wärmende Licht eines Sternenmännchens, das sich nun anstelle ihres dickköpfigen Babys in der Krippe befand. „Hallo Glandolier”, sagte es mit sanfter Stimme. „Nimm meine Hand. Ich nehme dich mit auf eine Sternenreise.” Die Freundlichkeit, die das kleine leuchtende Männchen ausstrahlte, ließ Glandolier ihre Sorgen und Ängste vergessen, und voller Vertrauen nahm sie die kleine Hand aus Licht. Glandolier wurde von wohliger Energie erfüllt, und sie jauchzte überrascht, als ihre Füße den Boden verließen und sie dem Sternenwesen durch das offene Schlafzimmerfenster in den funkelnden Nachthimmel folgte. Es war eine klare Winternacht und von oben sah die Stadt aus wie ein Haufen durcheinander geworfener Lichterketten. Alles war etwas verschwommen, denn Glandoliers Kontaktlinse und das Glasauge lagen noch im Badezimmer ihres Hauses. Doch das tat Glandoliers Begeisterung keinen Abbruch.
„Deinem Mann kaufst du ‘nen Akkuschrauber. Da fühlt der sich wichtig und hat immer was in der Hand. Dann wichst er nicht so viel, ne?” sagte das Sternenmännchen.
„Ach, ist das hier so ne Art Einkaufsberatung?”
„Ja genau, ich bin von real,-.”
„Achso”, sagte Glandolier ein wenig enttäuscht.
„Deiner Mutter kaufst du Schnaps, aber den billigen. Die trinkt ja nicht aus Freude.”
„Stimmt.”
„Deinem Baby kannst du…” Doch das Sternenmännchen kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu beenden. Glandolier hatte ihm in den Kopf gebissen und all seine Sternenenergie abgesaugt. Ab nach Thailand!

Wenige Stunden später kam sie an der Kasse des örtlichen real,–Marktes
wieder zu sich.
„Das macht dann 72,38€.” sagte die Kassiererin und schmatze dabei fröhlich vor sich hin. Glandolier zahlte verdutzt und machte sich mit ihren Einkäufen durch den Schnee nach Hause. Auf sie wartete das schönste Weihnachtsfest ihres Lebens.

„Wer das für clevere Kapitalismuskritik hält, ist ein Arschloch!” Coca Cola Regional Manager, Köthen

„Inception für Hunde.” Kassiererin aus Niederbayern