Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Die Jäger der verlorenen Bockwurst - Teil 2

von Sia N. Tology

Sobald sich der Parmesannebel gelegt hatte, brauchte der Wahnsinn ein, zwei Sekunden, um seinen gewohnten Gang zu nehmen. Malone erkannte aus den Augenwinkeln den Pinguin, den Winston erschreckt hatte. Er lehnte gelassen an einer Jukebox, kaute auf einer Sonnenblume herum und spielte lässig mit der Streitaxt in seinen Händen. Wunderbar, auch noch ein Wikinger-Pinguin. Die kleinen Scheißkerle konnten ziemlich unangenehm werden, sobald sie in den Blutrausch gefallen waren. Vor allem abstehende Extremitäten hatten dann eine sehr schlechte Zeit vor sich.

In Mitten des Lesesaals standen sie: Die Käsejünger, die große Bockwurst umringend. Irgendein wahnsinniger Vollidiot war gerade dabei, probehalber eine halbe Scheibe Schmelzkäse auf die wehrlose Bockwurst zu legen. Andere hatten da schon etwas schneller reagiert und ihre Waffen im Anschlag, aufgescheucht durch das Parmesan-Happening vor der Tür. Und vielleicht auch dadurch, dass Winston lautstark durch die Tür gebrochen war.

Ganz Carlos Friedensnobelpreis-verdächtigem Plan entsprechend, zischten innerhalb von Sekunden die ersten Teewurst-Geschosse durch den Raum und mähten unter Blut- und Schmodderfontänen einige Reihen der Käsefanatiker um. Irgendjemand hatte sich ein Hanni und Nanni Gesamtband geschnappt und drosch damit in alle Himmelsrichtungen um sich. Malone konnte nicht ausmachen, wer diesen Geistesblitz gehabt hatte, setzte aber ihr rechtes Silikonimplantat auf Charlie. An ihrem linken Ohr flog ein rechtes vorbei, die Hälfte des abgerissenen Gesichtes faserte wie trauriges Konfetti daran herunter. Der Wikinger-Pinguin musste losgelegt haben. Vermutlich war ihm egal, wenn er umnietete, Hauptsache es gab im Anschluss was zu spachteln und ein paar schicke Tote.

Malone schwang sich mit dem entsprechenden Coolnessfaktor von einem Bücherregal, in beiden Händen einen rauchenden Revolver. Mit den Implantaten und der engen Hose war es mehr als nur mühselig gewesen, auf das Regal zu klettern, aber solche Moves waren gut für die B-Note. Vor ihr waren zwei Käsefanatiker auf der Flucht, einer davon mit der Bockwurst in der Hand. Fluchend lud sie nach und feuerte wahllos drauf los.

Der kleinere Käsefanatiker, der zu hundert Prozent so aussah, als würde er Kevin-Mufasa heißen, hatte Sekunden später einen wenig attraktiven Kopfschuss in sein linkes Auge abbekommen. Anstatt aus Anstand einfach leise und sauber zu verrecken, rannte er ziellos durch den Raum, verteilte sein Blut überall und machte Lärm für zwei. Etwas zähflüssige Teewurst rann aus seinem Augenloch, in genau der richtigen Konsistenz für eine deftige Brotzeit. Malones Kopfschmerzen meldeten sich unverzüglich mit einem fiesen Grinsen zurück.

Sie seufzte, lud erneut nach und schickte sich gerade an, diesem infantilen Käseheini eine zweite Ladung zu verpassen, als West neben ihr erschien und die Situation nutzte, um allen Anwesenden, die sich sicherlich brennend dafür interessierten, einen sauberen Genickbruch an Kevin-Mufasa zu demonstrieren. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, stiefelte er weiter, hinter dem großen Käsefanatiker her, der vermutlich mit der Bockwurst mittlerweile genügend Vorsprung hatte, um sich in einer Pizzeria noch eine Quattro Formaggi zum Mitnehmen zu bestellen.

Mit einem lauten Krachen schlug die Axt des Wikinger-Pinguins neben Malone in das Bücherregal ein. Dahin gemeuchelte Papierstreifen und der örtliche Schuhplattlerverein der Bücherwürmer stoben in alle Himmelsrichtungen davon. Vermutlich hatte der Irre gerade Heidi zerlegt.

„Scheiße Mann, das war mein Lieblingsbuch!“ Carlos materialisierte seinen Luxuskörper quasi aus der Luft heraus und brauchte nur fast fünf Sekunden unter dem Sauerstoffzelt, um wieder zu Atem zu kommen, bevor er sich mit einem animalischen Schreien auf den Wikinger-Pinguin stürzte, der vor lauter Begeisterung ein heiseres Krächzen ausstieß und zur seelischen Vorbereitung ein paar Runen in Die Blechtrommel schnitzte. Erst als er so etwas philosophisches wie die staatlich anerkannte Rune für „I was here! gez. Ich“ beendet hatte, nutzte er die Axt wieder in ihrem eigentlichen Sinne: Zum töten.

Während Carlos und der Pinguin das Duell ihres Lebens ausfochten und ihnen nicht mal aus purer Höflichkeit jemand dabei zusah - mal abgesehen von den desinteressiert wirkenden Leichen, die aber mittlerweile mit ganz anderen Problemen zu tun hatten, Freunde! - machte es Malone sich zur Aufgabe, den traurigen Haufen der restlichen Käselutscher langsam aber sich zu liquidieren.

Viel gab es nicht mehr zu erschießen, stellte sie recht schnell enttäuscht fest. Mit West an ihrer Seite, der die Güte hatte, auch wieder auf der Bildfläche zu erscheinen, OHNE die Bockwurst in den Händen, ließ sie ein paar halbherzige, markige Sprüche hören, die Carlos bei dem langweiligsten Jahrhundertkampf mit dem Wikinger-Pinguin unterstützen sollten. Als West zum siebenundzwanzigsten Mal laut forderte, ihm ein „Ceeeeeeh“ zu geben, hatte der Pinguin den Schnabel gestrichen voll und setzte zu einer wütenden Attacke an, die Carlos seinerseits nutze, seinen Würstchenspieß anderweitig einzusetzen. Malone konnte es drehen und wenden, wie sie es wollte: Es war kein schöner Anblick, der in einem sterbenden Pinguin gipfelte.

Während dieser sein Testament mit Blut auf den Boden schrieb, ein bis zwei isländische Sterbechoräle intonierte und aus Reisig das Wikingerboot bastelte, dass ihn zurück in die Heimat und am besten gleich nach Valhalla befördern sollte, legte Carlos etliches an Kilometern zurück, in dem er den Lesesaal nach der begehrten Bockwurst durchforstete.

„Sie ist weg!“ Carlos fuchtelte nervös mit seinem Würstchenspieß vor ihren Augen rum und verteilte dabei etwas Spucke in alle Himmelsrichtungen. Unter seinen Füßen knackte es, hin und wieder spritzen Körperflüssigkeiten nach oben. Malone verwarf augenblicklich die Idee, ihren Wohnzimmerboden aus erlegten Käsefanatikern pressen zu lassen. Die Hygienesituation entsprach doch nicht ihren hohen Ansprüchen.

„Jawoll“, informierte West im fortgeschrittenen Nachrichtenstil. „Einer von diesen Käsetypen ist mit ihr abgezogen. War aber einfach zu schnell, gegen so’n Moped kommste nicht an.“ Er kaute mit der rechten Hälfte seines Kiefers geräuschvoll auf einer Karotte herum, während sich Charlie einen neuen Hauch Deo mit einer Zwiebel unter die Achseln donnerte. „Winston hat’s übrigens erwischt, Boss. Ein Parmesanstück hat ihm den Schädel gespalten.“ Charlie nickte bekräftigend, während er die Zwiebel misstrauisch beäugte und anschließend für noch essenswert betrachtete. „Hässliche Sache.“ Nach kurzer Zeit nahm das Massaker seinen Lauf und es flogen einzelne Zwiebelfitzelchen durch den Raum.

Malone seufzte.
So ein Scheißtag. Die Bockwurst und damit den Finderlohn würden sie wohl nie wieder sehen und sie hatten nicht genug Plockwurst dabei, um Winston anständig zu bestatten.
Sie schob sich ihren Hut in den Nacken und sah gelangweilt dabei zu, wie der Boss mit vorgeschobener Zungenspitze versuchte, die harte Plockwurst in dünne Scheibchen zu säbeln.

Es war an der Zeit!
In der nächsten Großstadt würde sie den Job als Jäger der verlorenen Bockwurst an den Nagel hängen und in der nächstbesten Tabledance Bar anheuern. Die Männer dort wussten eine Frau wirklich noch zu schätzen. Und die Chance, sich dort einen Croupier zu angeln, stand auch nicht schlecht. Mit dem Geld, dass sie für das Verpfeifen von West und seine Cabanossi-Gang bekommen würde, ließe sich sicher ein angenehmes Leben aufbauen.

Während Winstons Leiche mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden des ausgetrockneten Brunnens vor der Bibliothek aufschlug und der Boss mit einem Klagelied die winzigen Fetzen Plockwurst hinterher warf, stahl sich ein Lächeln auf Malones Züge. Die Zukunft war fast da und sie war scheißgut!