Gruppe 13


Räuberpistolen für den Hausgebrauch


Wilde Fuchsjagd

von Pjotr Zapatov

Die Füchse kamen näher. Juanita Shalima hatte nicht damit gerechnet, dass die tollwütigen Tiere sie weiter verfolgen würden. Doch da hatte sie sich geschnitten. Das füchsische Jaulen schien nicht mehr weit entfernt zu sein. Und es hörte sich ganz so an, als wäre die Rotte größer geworden, angezogen durch die Aussicht auf fette Beute. Noch einmal hielt sie an, zu erschöpft, um weiterzugehen. Sie hatte sich verrechnet. Der Weg war länger als gedacht. Zu lange. Doch es gab kein Zurück. Die Füchse waren ihr auf der Spur, und sie waren nicht mehr abzuschütteln. Nach ein paar Minuten des Luftholens hörte sie ein dumpfes Geräusch. Ein großer Felsen rumpelte den Berg hinab und krachte gegen eine stabile Fichte.
Juanita Shalima hob ihren Blick und starrte direkt in die gelben Augen des Fuchses, nur zwanzig Meter entfernt. Drohend schwenkte er seinen Schwanz, Triumph im Blick, Mordlust in den Lefzen. Sie hatte nur noch eine letzte Kokosnuss in ihrem Rucksack. Nun war der Moment gekommen, sie zu öffnen. Sie holte die Frucht heraus, stach hastig mit ihrem Taschenmesser in die Löcher und erbrach sie. Dann rieb sie sich ihr Gesicht mit der heraustropfenden Milch ein. Den Rest trank sie in groben Schlucken. Weiß rann es ihr die Wangen herab. Sie warf die Schalen hinter sich, fischte einen Pfeil aus ihrem Köcher und spannte ihn in ihren Bogen ein. Der Isegrimm auf der Bergkuppe verfolgte jede ihrer Bewegungen mit Interesse, stieß ein Knurren aus und jaulte laut auf. Das war der Befehl zum Angriff. Plötzlich erschienen hinter jedem Felsen auf der Kuppe die pelzigen roten Köpfe der Füchse. Es waren mindestens fünfzig. Juanita Shalimas Herz pochte bis zum Anschlag. Dies war ihr letztes Gefecht. Alles oder nichts. Sie fühlte ihr letztes Stündlein schlagen. Und dann kamen die Füchse auch schon herangestürmt.

Der erste Pfeil schlug in den Anführer der Rotte ein und traf ihn direkt in der Stirn. Das wilde Tier explodierte in einem hässlichen Knall. Der zweite Pfeil prallte vom Fels ab, und der dritte nagelte einen kleineren Fuchs an eine schwarze Lärche. Doch beeindrucken ließen sich die anderen nicht. Schon setzte der erste zum Sprung an, doch auch ihn traf ein Pfeil ins Gedärm. Keuchend griff Juanita Shalima in ihren Köcher, um nachzulegen – doch ihr Griff ging ins Leere. Die Pfeile waren aus, ihr Leben gezählt. Sie sprang nach rechts und machte einen Satz ins Gehölz.
Plötzlich schrappelte es in der Luft, verstärkt vom Echo der Schlucht! Die Füchse hielten inne und schauten nach oben. Schon wurden die ersten drei von gezielten Flintenschüssen niedergestreckt. Ein schwarzer Hubschrauber vom Typ Black Hawk sauste in niedrigem Flug über die Szenerie! Die Füchse stoben nach allen Seiten. Weitere ließen ihr Leben. Einige entkamen. Juanita Shalima verfolgte die Attacke aus dem Augenwinkel, blieb jedoch weiterhin in Lauerstellung. Sie war gerettet! Schüsse peitschten herab und durchschlugen die Herzen der Füchse. Die Rotoren knatterten. Nur zögerlich kam sie zum Nachdenken. Und sie wusste, dass sie nun zwar leben würde, doch in Sicherheit war sie noch lange nicht. Der Hubschrauber konnte nur eines heißen, und wenn sie nicht alles täuschte, waren die Insassen nicht darauf aus, mit ihr ein Stück Kuchen zu essen. Im nächsten Augenblick traf sie ein Schuss in die Schulter und ließ sie bewusstlos zusammensacken.

„Guten Morgen”, sagte eine zarte Männerstimme. Juanita Shalima schlug die Augen auf.
Milchigweißes Licht drang durch einen Gazevorhang in das Zimmer und ließ sie blinzeln.
„Wo bin ich? Wer sind Sie?”, stieß sie heiser hervor.
„Sie befinden sich im vierundvierzigsten Stockwerk unserer Schaltzentrale, auch Das Gehirn genannt”, antwortete ihr die Männerstimme in freundlichem Ton. „Herzlich willkommen!”
„Mein Kopf brennt! Was mache ich hier?”
„Ihre Kopfschmerzen sind die Nachwirkungen des Betäubungsmittels, machen Sie sich keine Sorgen, sie sollten bald verschwinden. Entschuldigen Sie die vielleicht etwas raue Umgangsart.”
Sie war immer noch verwirrt, doch langsam lichtete sich der Schleier der Betäubung. Natürlich, die Füchse. Und der Black Hawk. Sie hatte es nicht rechtzeitig zur Hütte geschafft. Und nun hatten die violetten Reaktionäre sie entführt. Sie wollte sich aufrichten, sackte aber gleich wieder auf ihre Liege zurück. Im grellen Licht des Raums war niemand zu erkennen.
„Ruhen Sie sich noch etwas aus. Später wird meine Assistentin Ihnen ein wenig Haferbrei und Sultaninen vorbeibringen, damit Sie etwas zu Kräften kommen. Immerhin haben Sie zwei Wochen geschlafen.”
„Zwei Wochen??” entfuhr es ihr. Sie hatte zwei Wochen geschlafen? Es erschien ihr wie ein böser Traum. Doch an Träume konnte sie sich nicht erinnern.
„Bitte, ruhen Sie sich aus. Sie haben sicher viele Fragen. Wir werden sie Ihnen beantworten. Alles zu seiner Zeit. Sie sind hier unser Gast. Wenn Sie einen Wunsch haben, drücken Sie einfach die gelbe Taste über dem Bett. Bis später.”
„Aber…” Sie wollte etwas erwidern, doch sie war zu schwach. Mit einem Seufzen glitt sie zurück ins Bett und versank in einen unruhigen Halbschlaf.

Als sie wieder erwachte, war es genau so hell wie beim ersten Mal. Sie wusste nicht, welche Uhrzeit es war. Es war still im Raum. Langsam richtete sie sich auf. Der Raum war sechseckig, wie eine Bienenwabe. Die Wände waren kahl. Es gab eine große Fensterfront, doch die Sicht war durch die Vorhänge versperrt. Da es kaum dunkler geworden war, musste es immer noch Tag sein. Doch war sie heute morgen aufgewacht, oder hatte sie über die Nacht geschlafen? Sie wusste es nicht. Links neben ihrem Bett befand sich ein kleiner Tisch. Sonst gab es nichts in dem Zimmer. Auf dem Tisch stand eine kleine Schale Haferbrei und ein Plastiklöffel. Sie starrte einige Minuten darauf, dann merkte sie, wie hungrig sie war, nahm den Löffel und rührte vorsichtig im Brei herum. Drei Sultaninen kamen dabei zum Vorschein. Sie pickte sie heraus, legte sie zur Seite und löffelte langsam den Brei. Er war kalt, schmeckte aber nicht schlecht. Nachdem sie ihr Mahl verspeist hatte, versuchte sie nachzudenken.
Sie war gefangen, so viel war klar. Sie war den Füchsen entkommen, doch die Banditen hatten die Situation knallhart ausgenutzt und sie entführt. Hatten sie auch ihr Köfferchen gefunden? Im Zimmer befand es sich erwartungsgemäß nicht. Sie hoffte, dass sie es noch nicht entdeckt hatten. Ihre Möglichkeiten schienen begrenzt zu sein. Bevor sie sich eine Strategie ausdenken konnte, hatte sie schon den gelben Knopf fest gedrückt. Es würde sich alles ergeben. Erst einmal musste sie herausfinden, was die Violetten wussten. Ihre Entschlusskraft und ihr Mut kehrten zurück.